The Doors
die 1991 in der medialen Verklärung der Sixties keine Rolle spielte und die auch nichts mit minderjährigen Deadheads zu tun hatte, die sich die Grateful Dead ansahen. Wenn nichts über ein Grateful-Dead-Konzert ging, wie man damals auf Autoaufklebern lesen konnte – » THERE IS NOTHING LIKE A GRATEFUL DEAD CONCERT « –, dann zeugte das von einer völlig anderen Art von Leere. Das Echo jenes erstarrten Moments ist eine gewaltige, dröhnende Stille, der sprichwörtliche Knall, mit dem die Welt nicht endet, und genau so fühlte sich die Welt an, jedenfalls für einige, nachdem die Show beendet war, die Show des Konzerts, die Show der damaligen Zeiten.
Diese Stille, dieses fast schon körperliche Gefühl, dass etwas fehlt, ist das, was die Sixties als Kultur, mit all ihren Albernheiten, Mystizismen, Solipsismen, Selbstbeweihräucherungen und Falschheiten, den folgenden Jahrzehnten hinterlassen haben: das Gefühl, dass es eine andere Welt gibt. Es ist eine Stille, die die zahllosen noch immer im Radio laufenden Sixties-Hits schließlich zum Schweigen bringt, ihnen ihren Nimbus nimmt. Und es ist genau diese Stille, mit der Pump Up the Volume beginnt.
Es ist Nacht, und die Kamera schwenkt über eine Vorortsiedlung. Wir befinden uns im Jahr 1990, doch es könnte genauso gut zwanzig Jahre später sein, aber auch vierzig Jahre früher: Der Schauplatz der Handlung ist einem aus einer Vielzahl von Filmen vertraut, die in den 1950er- und 1960er-Jahren die Schattenseiten des Lebens in Suburbia thematisierten, bei den Erwachsenen vor allem Ehebruch und Alkoholismus und, bei den Kids, Ladendiebstahl und aufgemotzte Schlitten. Hier, in Paradise Hills, Arizona, ist es stockdunkel. Es sind nicht einmal Grillen zu hören. In den ersten Zeilen des Films stellt Christian Slaters Stimme aus dem Off eine Frage: »Habt ihr jemals das Gefühl gehabt, dass die Vereinigten Staaten total am Arsch sind? Ich meine das Gefühl, dass das ganze Land nur um Haaresbreite davon entfernt ist, zu sagen: Das war’s, vergiss es?«
Das ist das Echo – ein Überschallknall. In der toten Umgebung, die der Film uns in seiner ersten Einstellung als den Inbegriff des Nichts vorgestellt hat, rechnet man plötzlich mit buchstäblich allem, und man ist auf alles gefasst. Doch statt der Arena der Sixties – der Ort, der jedem offensteht und wo jeder frei sein kann – ist dies die Stimme einer geheimen Kultur.
Diese Stimme wird als ein Geheimnis betrachtet – wie bei den Kids, die in den 1950er-Jahren spätabends unter der Bettdecke in ihren Transistorradios Little Richard hörten, nicht weil sie davor Angst hatten, dass ihre Eltern hereinschauen könnten, um sich zu vergewissern, dass sie schon schliefen, sondern weil sie es genossen, ein Geheimnis zu haben, von dem niemand erfahren sollte, etwas, was ganz allein ihnen gehörte, was sie weder teilen konnten noch wollten. Christian Slaters Stimme kommt von einem kleinen Piratensender, einem Do-it-yourself-Bausatz des Elektronik-Discounters RadioShack – das Ganze ist keine plötzliche kulturelle Explosion, sondern lediglich ein einzelner Highschool-Schüler, der versucht, seinem Leben einen Kick zu geben.
Jeden Abend um Punkt zehn Uhr geht er auf Sendung. Er legt Platten auf, redet zu der Musik, plappert einfach drauflos, manchmal nur zehn Minuten lang, manchmal stundenlang. Er hat nette Sixties-Eltern, die nicht im Traum daran denken würden, ihn zu fragen, was er da unter der Bettdecke treibt. Sie wissen, dass sie ihm seinen sogenannten Freiraum gewähren müssen.
Im Unterschied zu einem DJ des Jahres 1956, der schrie und brüllte, als würde ihm die ganze Welt zuhören, stellt sich dieser DJ vor, dass niemand ihm zuhört. Das Aktionsprinzip der Sixties lautete »The Whole World Is Watching«, und genau das sollte der Satz »We’ve gotta make the myths« zum Ausdruck bringen – die Vorstellung, dass man etwas machen könnte und dass es sofort von Gewicht wäre, dass es zu einem Prüfstein avancieren würde, zu etwas, auf das die Leute zurückblicken würden, als eine Saga der Befreiung, als eine Geschichte, die man sich bis in alle Ewigkeit erzählen würde. In den Radiospots für den Film klang der Satz albern, im Film selber jedoch nicht: Der Film erschafft jene Arena. Man hört Ray Manzarek, wie er zu Jim Morrison sagt, sie müssten die Mythen machen, und das klingt wie etwas, was jeder gern machen würde – es hört sich an wie das einzig wahre Lebensziel.
Der Junge in Pump Up the Volume hat
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