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The Doors

The Doors

Titel: The Doors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greil Marcus
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sagte, dann, dass sie kein Scherz war. Man spürte die Ernsthaftigkeit der dahintersteckenden Absicht, etwas, was schon für sich genommen aufregend war. Und man ahnte, dass das Ganze möglicherweise Folgen hatte: Wer durch die Dramen hindurchspazierte, die auf The Doors in Szene gesetzt wurden, der ließ es darauf ankommen, dass er am Ende vielleicht nicht mehr derselbe war wie vorher. Das war es, was die Leute wollten, was sie sich erhofften. Das war der Grund, aus dem sie sich das Debütalbum der Doors anhörten. Dieses verführerische Versprechen war das, was sie dabei vernahmen.
    Als Strange Days seinen letzten Track erreichte, da veränderten die ersten, schlichten, zögerlich-ruckartigen Orgeltöne die Stimmung, die bis dahin geherrscht hatte. Diese Töne versprachen, dass sich das folgende Stück Musik Zeit lassen, dass es nicht so schnell vorbei sein würde, dass dieser Song einen Scheck ausstellte, den nur er einlösen könnte. Und er gab nichts von sich preis. Die Spannung seiner ersten Momente behielt er nicht bei, doch diese Spannung blieb unterschwellig bestehen: Sie schickte die Zuhörer zu dem Song zurück, um sie dort nach etwas suchen zu lassen, was ihnen beim ersten Mal, bei den ersten drei Malen, bei den ersten zehn Malen womöglich entgangen war, und sie schickte auch die Band zu dem Song zurück, damit sie herausfinden konnte, wozu all diese Minuten – elf auf der Platte, bei Konzerten in aller Regel mehr – da waren. Die Rolling Stones sollten 1969 eine Antwort finden: »Gimmie Shelter« war in vieler Hinsicht die ultimative Doors-Nummer, nicht zuletzt wegen seiner dahingleitenden, aufeinander aufbauenden ersten Töne, von denen jeder den ihm vorausgehenden einfing und hinter sich ließ, nur um dann selber eingefangen zu werden, bis ein gebrochener Gitarrenakkord den Song in den harten, unerbittlichen Kessel schubste, der in den folgenden vier Minuten überkochte.
    An manchen Abenden war »When the Mucic’s Over« eine flache, nichtssagende Landschaft, bei der nichts darauf hindeutete, dass dort etwas von Erinnerungswert geschehen könnte – und in so einem Rahmen gelang es dem Song, aus sich selbst heraus ein Drama zu entfalten. Bei einem Konzert in Houston, im Jahr 1968, war das Stück zu Beginn mehr oder weniger formlos. Morrison klingt klar und direkt, aber es ist ein Song innerhalb des Songs verborgen, und hinter dem ist er her. Die Band ist fast überhaupt nicht präsent, so als wolle sie dem Sänger den Raum geben, den er benötigt, um seinen eigenen, schriftlich festgehaltenen Songtext hinter sich zu lassen – und diese schattenhafte Präsenz ist überaus wirkungsvoll. »Confusion ... confusion ... confusion«, singt Morrison, als wolle er das Wort, die Vorstellung, dazu bringen, eine Tür zu öffnen. Auf »confusion« lässt er »delusion« folgen. Während sich das Tempo und die Lautstärke der Musik kein einziges Mal ändern, erzeugen die Pausen zwischen den Wörtern oder zwischen den musikalischen Phrasen eine Art schwebenden Sumpf, ein Miasma, das komplett und in sich geschlossen scheint. Manzarek spielt auf seinem Bass-Keyboard ein simples Bamm-Bamm-Bamm-Muster, ein Dutzend Mal, aber es könnten auch hundert Mal sein, eine Tonfolge, die dermaßen monoton ist, dass man sie nicht wahrnimmt, es sei denn, man wird von ihr in den Bann gezogen und beginnt, den Takt dieser Töne mitzuzählen, unfähig, außer ihnen noch etwas anderes zu hören. Die Zeilen »sat up all night, talking and smoking, count the dead and wait for morning« sind nun alles, wonach der Song verlangt, Zeilen, die sich von der Seite in ihn hineinschleichen, unaufgefordert und ungeschrieben: He, das ist doch nicht auf der Platte, werden sich manche im Publikum wundern, sollten die das nicht so spielen wie auf der Platte?
    Die Performance ist so selbstbewusst, so selbstsicher, dass der Song, falls die Band das wollte, buchstäblich alles sagen könnte. Er wird zu einem offenen Aktionsfeld, und das, was die Band zurückhält, hat genauso viel Gewicht wie das, was sie auf diesem Feld veranstaltet. »Hey, look«, sagt Morrison an einer Stelle, kurz vor einer schriftlich fixierten, im Tonstudio aufgenommenen Zeile – und das klingt so ungezwungen, so vollkommen normal, dass die Performance für einen kurzen Augenblick verschwindet, und obwohl der Song danach weitergeht, kann man Morrison im Publikum sehen, das nun kein Publikum mehr ist, sondern bloß eine Gruppe von Leuten, die gemeinsam herumhängen, und man kann

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