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The Forest - Wald der tausend Augen

Titel: The Forest - Wald der tausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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durch sie zu entgehen, bin ich aus dem Fenster gestiegen und habe mich unter Gabrielles Zimmer gestellt und gehofft, mir fällt ein, wie ich zwei Stockwerke hochklettern und reinkommen kann. Aber das Fenster ist immer dunkel, die Vorhänge sind fest zugezogen.
    Ich habe sie seit diesem Tag, an dem sie in ihrer seltsamen Weste am Fenster stand, nicht mehr wiedergesehen, und langsam mache ich mir Sorgen, ob es ihr auch
gut geht. Aber ich weiß, dass sie noch immer im Münster ist. Das merke ich an der Art, wie die Schwestern untereinander flüstern und diejenigen von uns beäugen, die keinen Zugang ins Allerheiligste haben. Spannung liegt in der Luft.
    In meinem Bemühen, mit Gabrielle zu sprechen, bin ich ziemlich leichtsinnig geworden, ich weiß genau, dass ich Schwester Tabithas Zorn herausfordere, wenn sie dahinterkommt. Aber ich kann nichts dagegen machen. Es ist wie ein Fieber. Jetzt, da ich Travis nicht mehr sehen darf, kann ich nur noch an Gabrielle denken.
    Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es Schwester Tabithas Zorn und die Ungeweihten wert sind, wenn ich endlich herausfinde, was hinter dem Wald liegt.
    Ein Klopfen an der Tür schreckt mich aus meinen Gedanken hoch. Eine junge Schwester soll mich zu Schwester Tabitha bringen. Sie geht mir voran Richtung Altarraum im Herzen des Münsters und von dort in einen anderen Flügel, zu dem nur die Elite der Schwestern Zugang hat und sonst niemand.
    Ich frage mich, ob es das jetzt war. Ob diese Schritte die letzten sind, die ich machen werde. Ob ich nun doch für meine Neugier und Sturheit und mein ungestümes Handeln bezahlen muss. Ich weiß nicht recht, ob ich Schwester Tabitha um Vergebung anflehen werde, wenn sie mich durch den Tunnel zum alten Brunnenhaus zurückführt und mich dem Wald aussetzt.
    Doch Schwester Tabitha ist nicht allein, als ich ihr Zimmer betrete, wo mir scharfes Sonnenlicht in die Augen
sticht, das durch die drei großen Fenster fällt, die aufs Dorf hinausgehen. Harry ist bei ihr, die gestreckten Arme an die Seiten gedrückt, die Hände zu Fäusten geballt.Travis ist tot, denke ich sofort. Man hat mir gesagt, dass sein Zustand sich verschlechtert habe, und hier steht sein Bruder nun mit ernstem, traurigem Gesicht. Ich gehe fast in die Knie.
    »Ich habe Neuigkeiten«, sagt Schwester Tabitha zu mir, und ich nicke nur, denn meine Stimmbänder werden von beißenden Tränen zerfressen.
    »Harry hat für dich gesprochen, Mary«, sagt sie.
    Mit einem Ruck fahre ich zu Harry herum. Ich spüre, wie sich eine tiefe Falte auf meiner Stirn bildet, wegen des Schocks und der Wut. Ich kann es nicht glauben.Warum sollte er jetzt für mich sprechen, wenn er es vorher nicht getan hat, als es noch eine Rolle spielte? Da hätte ich Ja sagen und es auch so meinen können. Damals, als ich noch nicht wusste, was Liebe ist, als mir Bewunderung und Anerkennung noch gereicht hätten.
    »Aber die Schwesternschaft«, stammele ich. Das kann doch nicht wahr sein.
    »Ich habe ihm meinen Segen gegeben. Und dein Bruder Jed auch«, sagt Schwester Tabitha. »Du wirst da drau-ßen dringender als Ehefrau und Mutter gebraucht als hier drinnen als Schwester.« Ihr scharfer Blick durchbohrt mich. »Wir wissen beide, wie wenig geeignet du für die Schwesternschaft bist.«
    Die Welt wirbelt um mich herum, und ich habe nichts, woran ich mich festhalten kann, damit alles ins Lot
kommt. Ich kann nur an Travis denken und wie es war, mich an seinen Körper zu pressen in jener Nacht. Wie nur kann ich denn danach mit seinem Bruder zusammen sein?
    »Ihr werdet an Bredenlow im Frühling heiraten«, fährt sie fort. »Mit Travis und Cassandra«, fügt sie hinzu, als wüsste sie nicht, dass sie mir damit das Herz bricht.
    »Meine Pflichten vor Gott …«, sage ich, obwohl ich überhaupt nicht an Gott glaube.
    »Werden erfüllt, indem du nach seinem Willen handelst und dafür sorgst, dass unser Dorf auch in der nächsten Generation gedeihen wird«, sagt sie abschließend.
    Damit meint sie, ich soll Kinder haben mit Harry. Mein Magen zieht sich zusammen bei dem Gedanken. Ich denke an seine Hand, die unter Wasser meine Hand gehalten hat an dem Tag, an dem meine Mutter sich angesteckt hat. Ich denke daran, wie aufgeschwemmt, weiß und verkehrt sein Fleisch ausgesehen hat.
    Und ich mache den Mund auf und will seine Werbung zurückweisen. Aber dann geht mir auf, dass ich mich damit für immer an die Schwesternschaft binde und mich zu einem Leben in diesen Mauern verdamme, im Dienste an Gott und

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