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The Forest - Wald der tausend Augen

Titel: The Forest - Wald der tausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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er ist nicht für dich.«
    Alles um mich herum scheint zu zerbröseln, meine Knie werden weich und können mein Gewicht kaum
noch tragen. Ich weiß nicht, was ich sagen oder wie ich reagieren soll, und deshalb nicke ich, der Schmerz in meinem Inneren ist zu stark. Sie verlangt von mir, das Einzige aufzugeben, das mir noch geblieben ist.
    Sie packt meine Schultern, ihre langen, knochigen Finger bohren sich durch meine Kutte. »Wenn du diesen Raum verlässt, wirst du dich von Neuem der Schwesternschaft verschreiben und diesem Dorf. Jedem Menschen hier und unserem weiteren Überleben. Du wirst Buße tun!«
    Ihr Körper zuckt, als sie nach Luft schnappt, sie knirscht mit den Zähnen und ihre Muskeln sind angespannt. Dann tritt sie einen Schritt von mir zurück und dreht sich wieder zum Fenster. In ihrem Spiegelbild im Fensterglas, in ihren schweren Zügen, glaube ich einen Augenblick lang, Kummer zu sehen. »Ich weiß, das muss harsch klingen, Mary«, sagt sie. Plötzlich ist ihre Stimme wieder ruhig und bedächtig. »Die Regeln der Schwesternschaft sind harsch. Aber was ist ein Dorf ohne Ordnung? Ohne Regeln und Leute, die sie durchsetzen?«
    Sie legt ihre Handfläche gegen das Fenster, mit gespreizten Fingern, und ich sehe, dass sie ein ganz klein wenig zittert. »Die Schwesternschaft trägt eine heilige Last. Wir tragen sie, damit die Dörfler das nicht tun. Damit sie vergessen können, was vorher war, heilen können und ohne die Last unserer Sünden vor der Rückkehr wiedergeboren werden.«
    Mein Körper brennt – die ganze Zeit sind wir im Dunkeln gehalten worden und die Schwestern haben es gewusst.
»Warum behaltet ihr solche Geheimnis für euch?«, frage ich. »Warum vertraut ihr uns nicht?«
    Sie dreht sich zu mir, und einen Moment lang schaut sie durch mich hindurch, als würde sie aus weiter Entfernung in ihr Innerstes blicken. Als würde sie sich erinnern. Um ihre Augen herum spielt der Anflug eines Lächelns, alte Lachfältchen kräuseln sich wieder ein wenig.
    Langsam geht mir auf, dass ich sie vielleicht zu sehr bedränge. So sehr, dass sie mich in den Wald hinauswerfen könnte, damit ich nicht enthülle, was ich begriffen habe: dass die Schwesternschaft Geheimnisse vor uns anderen hat. Ich weiche einen Schritt zurück, aber ihre Stimme hält mich auf.
    »Deine Mutter hat dir immer Geschichten über das Leben vor der Rückkehr erzählt«, sagt sie. »Aber hat sie dir je von Mord erzählt? Von Schmerz und Qual? Gotteslästerung und Heuchelei? Kriegen, Betrug und Selbstsucht? Von Menschen, die zulassen, dass andere draußen in der Kälte Hungers sterben, während sie Wärme und Essen haben? Sogar während der Rückkehr, als wir darum gekämpft haben, die Menschheit am Leben zu halten, sind Menschen aufeinander losgegangen, sie haben sich angegriffen und gegenseitig beraubt!
    Und darum sind wir hier, so haben wir überlebt: Wir haben uns abgeschottet. Indem wir den Rest der Menschheit zugrunde gehen ließen. Hier bekommt jeder zu essen. Jeder hat es warm, ist geborgen, geliebt und umsorgt. Das ist unser Werk, Mary. Die Schwesternschaft hat den Himmel in dieser Hölle geschaffen. Die Menschen haben
immer gewollt, dass man ihnen vertraut, aber sieh doch nur, wohin das führt! Sieh doch nur, wie du die Vorschriften eigennützig umgehst.
    Selbst wenn das bedeutet, dass du deiner Freundin schadest. Du begehrst Travis, du führst ihn in Versuchung, obwohl du weißt, dass er Cass sein Versprechen gegeben hat. Du hast deine eigenen Wünsche vor die deiner Freundin gestellt, vor die unserer Gemeinschaft und Gott.« Sie hält inne, als wollte sie sich einen Augenblick lang beruhigen, ehe sie fortfährt.
    Mit den Händen vor dem Mund trete ich noch einen Schritt zurück. Ich bin rot geworden. Die ganze Zeit hat sie von mir und Travis gewusst. »Woher weißt du solche Dinge?«, frage ich. Ich denke an all die Nächte zurück, in denen ich durchs Münster zu Travis’ Zimmer geschlichen bin. Immer hatte ich gedacht, ich sei allein, ich sei dem forschenden Blick Schwester Tabithas entflohen. Aber sie hat mich nur auf die Probe gestellt. Sie wollte sehen, wie weit ich ihr Vertrauen und meine Loyalität verdrehen konnte.
    Eine Weile denke ich, dass sie mir nicht antworten wird. »Das ist kein leichtes Leben«, sagt sie schließlich, »als Bewahrerin des Wissens der Schwesternschaft. Es ist viel leichter, ein Leben in Unwissenheit zu führen – wie du. Siehst du denn nicht, dass ich versuche, dich zu retten? Dich vor Schmerz

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