Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

The Forest - Wald der tausend Augen

Titel: The Forest - Wald der tausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
Vom Netzwerk:
überall. Die Leute auf den Plattformen kämpfen mit aller Kraft gegen sie an, wollen die unten zurückgelassenen Lebenden beschützen, aber in nie endenden Wellen schwemmen die Ungeweihten heran und mehren sich mit jedem Schritt. Der Nebel verwischt alles, er macht es schwer, die Lebenden von den Toten zu unterscheiden.
    Harry steht links von mir, er hat sich Jakob wieder über die Schulter geworfen. Er zeigt hinter mich, ich drehe mich um. Rechts liegt das Münster mit dicken, festen Steinmauern. Die Ungeweihten rücken näher, aber sie haben noch nicht bis in den Schutz des Münsters vordringen können. Schwestern und Wächter haben bereits an den Fenstern des zweiten Stocks Aufstellung genommen und schießen ohne Unterbrechung Pfeile ab.
    Ich höre Hammerschläge, denn drinnen werden die großen Fenster im Erdgeschoss verstärkt. Wir sind noch ein ganzes Stück weit entfernt, da sehe ich zwei Schwestern am Gebäude entlanglaufen. Gemeinsam schlagen sie die dicken Läden vor den Fenstern zu, bis sie sich zur
großen Vordertür vorgearbeitet haben, wo eine weitere Schwester steht und sie mit beiden Händen heranwinkt.
    Mit dem letzten Fensterladen scheint es Probleme zu geben. Wir kommen näher, und ich sehe, wie fieberhaft sie daran arbeiten, ihn zu sichern. Schließlich schubst eine Schwester die andere auf die Tür zu und bleibt allein drau-ßen. Es ist Schwester Tabitha.
    Mit ihrem ganzen Gewicht stemmt sie sich gegen das schwere Holz. Endlich bewegt es sich, ich beobachte, wie sie zurückstolpert, als der Laden zuschlägt. Sie schiebt eine dicke Eisenstange in Halterungen am Fenster und sichert es damit. Als sie ihre Aufgabe erledigt hat, eilt sie zurück zur Vordertür und hämmert mit der Faust ans Holz.
    Harry und ich sprinten auf sie zu, rennen, um vorübergehend Zuflucht im Münster zu finden. Ich will ihr zubrüllen, auf uns zu warten, aber ich bin so außer Atem, dass mir die Worte völlig kraftlos über die Lippen kommen.
    Doch irgendwie scheint sie es zu wissen, und als die Tür aufgeht, dreht sie sich um. Sie beobachtet, wie Harry, Jakob, Argos und ich näherkommen, und ich sehe, wie Hände sie ins sichere Münster zerren wollen.
    Immer noch steht sie auf der Schwelle. Zögernd.
    Die Welt ringsum scheint sich zu verlangsamen, zumindest wird jedes Detail leuchtend hell und lebendig. Einen Moment lang kommt es mir vor, als würde ich mich au-ßerhalb meiner selbst befinden, über allem schweben und alles beobachten. Ich spüre das Stechen in meinen Lungen
nicht mehr, die Anstrengung in den Beinen und den Schmerz im Knie von meinem Fall vorhin.
    Schwester Tabitha lächelt beinahe, sie hält die Tür so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortreten. Für jeden meiner Schritte scheine ich länger zu brauchen. Jetzt sind wir nah genug heran, dass ich sehen kann, wie die Schwestern hinter ihr sie bitten reinzukommen, wie sie schreien, sie solle die Tür schließen, damit sie sie verbarrikadieren können.
    Aber sie wartet immer noch. Steht in der Tür, drängt die anderen weg. Sie macht einen Schritt nach vorn, streckt den Arm aus, als könnte sie uns schneller heranziehen.
    Sie sieht den roten Blitz nicht.
    Und doch muss sie spüren, dass irgendetwas ganz furchtbar verkehrt ist, als ich plötzlich nicht mehr weiterrenne. Sie muss die lauten Schritte gehört haben, mit denen rechts von ihr jemand über den trockenen Boden rennt. Sie muss das Entsetzen in meinem Gesicht gesehen haben.
    Ehe sie den Kopf wenden kann, ist Gabrielle bei ihr. Ehe sie irgendeine Miene deuten kann, ist sie mit ihr zusammengestoßen. Schwester Tabitha will zurückweichen und ins Münster fliehen, aber Gabrielle hat sich in ihrer langen schwarzen Kutte verfangen. Ich sehe zu, wie die anderen Schwestern sie von der Schwelle schubsen. Ihre Schmerzensschreie werden zu Röcheln und Gurgeln. Ich höre die panischen Rufe der Schwestern drinnen, die versuchen, die Tür zu schließen, versuchen, Schwester Tabitha nach draußen zu stoßen, weg von ihnen.

    Nun wird Gabrielle auf die Schwestern aufmerksam, und sie drängt sich an Schwester Tabitha vorbei, um sich Eintritt zu verschaffen. Beinahe gelingt ihr das, sie ist schon fast im Altarraum. Aber dann schlingt Schwester Tabitha ihre Arme um Gabrielles mageren Körper und zieht sie von der Tür weg, obwohl Gabrielle sich windet und die Zähne in Schwester Tabithas Kehle rammt.
    Die Tür des Münsters schlägt mit einem Knall zu. Immer noch ringen Schwester Tabitha und Gabrielle auf dem Boden,

Weitere Kostenlose Bücher