The Forest - Wald der tausend Augen
Stimme schwingt die Hoffnungslosigkeit mit, die wir alle empfinden.
Keiner von uns rührt sich von der Stelle. Wir stehen
einfach da und starren. Unfähig, ganz zu begreifen, was hier vorgeht. Nämlich, dass die Welt, wie wir sie gekannt haben, dabei ist zu zerfallen.
So etwas musste zwangsläufig passieren, aber trotzdem hat keiner von uns je geglaubt, dass es geschehen würde. Nie hätten wir das für möglich gehalten. Natürlich hat es Durchbrüche gegeben und immer haben wir mit der Bedrohung gelebt. Aber die Rückkehr liegt nun schon Generationen zurück.Wir haben überlebt. Unser Dorf ist Zeugnis des Lebens inmitten des drohenden Todes.
Und jetzt ist es weg. Alle, die wir je gekannt haben, der einzige uns bekannte Ort, aller Besitz: weg.
Schon bald schlurfen die Toten durchs Dorf, einer nach dem anderen nähern sie sich dem Tor. Als seien wir die letzten Lebenden, nach denen sie hungern können. Der Tag nimmt seinen Lauf, und wir bleiben einfach auf der anderen Seite stehen und beobachten, wie sich die Ungeweihten versammeln, wie sie gegen die Zäune sto-ßen. Wir hören die Rufe der Überlebenden, die von den Plattformen aus das Dorf zurückerobern wollen und vergeblich versuchen, sie zurückzuschlagen.
So langsam erkenne ich diejenigen wieder, die sich an die Tore krallen. Einige von ihnen sind – waren – meine Nachbarn. Waren meine Freunde und Schulkameraden. Einige waren ihre Eltern. Frisches Blut befleckt noch immer ihre Kleider, in einigen Fällen tropft es ihnen aus dem Mund.
Ich denke an die, die auf den Plattformen zurückgeblieben sind und gegen diese kürzlich gewandelten Ungeweihten
kämpfen. Ob ihnen wohl klar ist, dass sie das Chaos nur verschlimmert haben, indem sie die Leitern in Panik hochgezogen haben? Dadurch hat es nur noch mehr Opfer gegeben, die sich in Ungeweihte wandeln konnten. Dadurch haben sie nur noch mehr Feinde erschaffen, Hunderte mehr.
Nach einer Weile kann Cass es nicht länger ertragen, sie löst sich aus unserer Gruppe, geht zu Jakob, der die ganze Zeit wie im Koma auf dem Boden gelegen hat, und nimmt ihn auf den Schoß. Sie singt ihm Schlaflieder vor, summt, wenn sie den Text vergessen hat.
»Mir macht dieser Riegel am Tor Sorgen. Ich weiß nicht, ob er halten wird«, sagt Harry, als die Sonne am Ende des Tages untergehen will. »Der war nicht dazu gedacht, die Ungeweihten zurückzuhalten. Der sollte nur den Pfad schützen.«
Mit Schaudern betrachte ich den Eisenriegel, der alles ist, was uns vor der ausgehungerten Horde schützt. Ich schaue mir die Zäune links und rechts von uns an, hier stehen sie weit auseinander, aber je weiter sie vom Dorf wegführen, desto näher rücken sie zusammen. Der Maschendraht ist rostig und von Ranken durchzogen. Weil dieser Pfad verboten ist, sind seine Zäune nie gepflegt worden. Wie viele Ungeweihte es wohl braucht, um sie zu Fall zu bringen?
»Wir sollten dem Pfad ein Stück folgen«, sagt Travis. »So weit, bis sie das Interesse verlieren und zum Dorf zurückgehen. Aufhören, gegen das Tor zu drücken. Vielleicht …« Er verstummt, findet dann aber seine Stimme
wieder. »Vielleicht gelingt es in der Nacht, sie abzuwehren. Die Kontrolle über das Dorf zurückzugewinnen.« Keiner reagiert, und es ist, als würde er sich verpflichtet fühlen hinzuzufügen: »Wir sollten zumindest die Nacht abwarten und sehen, wie es morgen früh steht.«
Harry nickt, mit gestrafften Schultern hält er noch immer die Axt gepackt.
Ich sage nichts. Ich traue meinen Gefühlen nicht, da ist so ein Kribbeln, das mir über Arme und Beine läuft. Ich drehe mich um und schaue den Pfad hinunter, die anderen konzentrieren sich noch immer auf das Tor und Cass widmet sich ganz Jakob. Ebenso ängstlich wie fasziniert gehe ich ein paar Schritte weiter.
Hier ist der Pfad zugewuchert, Brombeerranken zerren an meinem Rock, jeden Schritt muss ich ihnen abringen.
Hinter mir diskutieren Travis und Harry über Vorräte und Waffen. Darüber, ob das Dorf den Durchbruch zurückschlagen kann oder ob der Pfad unsere einzige Hoffnung ist.
Schweigend entferne ich mich vom Dorf.Weit genug, dass ich die Ungeweihten am Tor nicht anziehe. Als der Pfad schmaler wird, kann ich mit ausgestreckten Armen beinahe den Maschendraht links und rechts berühren. Hier ist der Wald frei von Ungeweihten, und einen Augenblick lang ist mir, als würde ich in der Ferne einen Vogel zwitschern hören.
Schließlich treffe ich meine eigene Entscheidung: Ich werde ihnen diese Nacht
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