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The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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weil wir uns darauf vorbereiteten, ein Geschenk Gottes zu töten. Ich hatte plötzlich einen Brechreiz. Ich brachte ihn unter Kontrolle, aber nur mit Mühe. Wasser vom Schwamm tropfte an den Seiten von Johns Gesicht herab.
    Dean Stanton rollte den Brustgurt aus – bei diesem Anlass zur maximalen Länge -, zog ihn über Johns Brust und gab mir das Ende. Wir hatten uns so große Mühe gegeben, Dean in der Nacht unseres Ausflugs wegen seiner Kinder zu schützen, und wir hatten nicht geahnt, dass er nur noch weniger als vier Monate zu leben hatte. Nach John Coffeys Hinrichtung reichte er ein Versetzungsgesuch ein und wurde von Old Sparky fort zum Block C versetzt, und dort stieß ihm ein Häftling ein selbst gebautes Messer, einen Shiv, in die Kehle und ließ ihn auf dem schmutzigen Bretterboden verbluten. Ich erfuhr nie, warum. Ich bezweifle, dass überhaupt jemand je den Grund erfährt. Old Sparky war so etwas Perverses, wenn ich damals zurückdenke, solch eine tödliche Torheit. Wir sind zerbrechlich wie geblasenes Glas, sogar unter den besten Bedingungen. Um einander mit Gas und Elektrizität und kaltblütig zu töten? Die Torheit. Das Grauen.
    Brutal überprüfte den Gurt und trat zurück. Ich wartete darauf, dass er sprach, doch das tat er nicht. Als er die Hände hinter dem Rücken verschränkte, wusste ich, dass er das Kommando nicht geben würde. Vielleicht, weil er es nicht geben konnte. Ich bezweifelte, dass ich dazu in der Lage war, doch dann sah ich Johns angsterfüllte, weinende Augen und wusste, dass ich es tun musste. Selbst wenn es mich für immer verdammte, ich musste es tun.
    »Stufe zwei«, sagte ich mit einer krächzenden Stimme, die ich kaum als meine eigene erkannte.
    Die Kappe summte. Acht große Finger und zwei große Daumen erhoben sich von den Enden der breiten Eichenarme des elektrischen Stuhls und zuckten mit zitternden Spitzen in zehn verschiedene Richtungen. John Coffeys große Knie ruckten auf und ab, aber die Klammern an seinen Knöcheln hielten. Über uns explodierten drei der Hängelampen – Peng! Peng! Peng! Marjorie Detterick schrie auf und wurde in den Armen ihres Mannes ohnmächtig. Sie starb achtzehn Jahre später in Memphis. Harry schickte mir die Todesanzeige. Es war ein Unfall mit einer Straßenbahn.
    John sank nach vorn gegen den Brustgurt. Für einen Moment trafen sich unsere Blicke. Er nahm mich wahr. Ich war das Letzte, was er sah, als wir ihn vom Rand der Welt kippten. Dann fiel er gegen die Rückenlehne zurück, die Kappe war jetzt ein wenig schief auf seinem Kopf, und Rauch – eine Art verkohlter Nebel – drang darunter hervor. Aber insgesamt ging es schnell. Ich bezweifle, dass es schmerzlos war, wie es die Befürworter des elektrischen Stuhls immer behaupten (das ist eine Theorie, die anscheinend selbst die fanatischsten Anhänger niemals persönlich in der Praxis überprüfen wollen), aber es war schnell. Die Hände waren wieder schlaff, die zuvor bläulich weißen Monde am unteren Rand der Fingernägel hatten jetzt einen auberginefarbenen Ton, eine Rauchfahne kräuselte sich von einer Wange empor, die noch nass vom Salzwasser aus dem Schwamm war … und von seinen Tränen.
    John Coffeys letzten Tränen.

11
    Mit mir war alles in Ordnung, bis ich nach Hause kam. Inzwischen dämmerte der Morgen, und Vögel sangen. Ich parkte meine Blechkiste, stieg aus und ging die hintere Treppe hinauf, und dann stieg die zweitgrößte Trauer, die ich je erlebt hatte, in mir auf. Ich dachte, es läge daran, dass John Coffey sich so vor der Dunkelheit gefürchtet hatte. Ich erinnerte mich an den Tag seiner Ankunft im Todesblock, wie er uns gebeten hatte, nachts eine Lampe anzulassen, und meine Beine gaben nach. Ich plumpste auf meine Treppe, ließ den Kopf zwischen die Knie sinken und weinte. Es fühlte sich nicht so an, als ob dieses Schluchzen nur wegen John wäre, sondern wegen uns allen.
    Janice kam aus dem Haus und setzte sich neben mich. Sie legte einen Arm um meine Schultern.
    »Du hast ihm nicht mehr wehgetan, als es sein musste, nicht wahr?«
    Ich nickte bestätigend.
    »Und er wollte gehen.«
    Ich nickte.
    »Komm ins Haus«, sagte sie und half mir auf. Ich musste daran denken, wie John mir aufgeholfen hatte, nachdem wir zusammen gebetet hatten. »Komm rein und trink einen Kaffee.«
    Das tat ich. Der erste Morgen verging, der erste Nachmittag, dann die erste Schicht bei der Arbeit. Die Zeit nimmt alles mit, ob man will oder nicht. Die Zeit nimmt alles mit, die Zeit trägt

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