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The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ihren Haaren, und es ging ihnen prima. Wir alle schauten Mr. Jingles zu, wie er die Spule rollte, und wir lachten und waren putzmunter.«
    »Ist das so?« Ich dachte, ich könnte es nicht durchziehen, könnte es einfach nicht, dass es nicht gehen würde. Ich glaubte, ich müsste schreien, oder mein Herz würde vor Kummer zerspringen, und das wäre das Ende.
    Wir gingen in mein Büro. John schaute sich kurz um, und dann kniete er sich ohne Aufforderung hin. Hinter ihm schaute mich Harry mit gequältem Blick an. Dean war weiß wie Papier.
    Ich kniete mich neben John und dachte, dass sich eine komische Kehrtwendung um hundertachtzig Grad anbahnte: Nachdem ich all den Todeskandidaten aufgeholfen hatte, damit sie die Reise beenden konnten, war ich diesmal derjenige, der Hilfe brauchte. So fühlte ich mich jedenfalls.
    »Um was sollten wir beten, Boss?«, fragte John.
    »Kraft«, erwiderte ich, ohne auch nur zu denken. Ich schloss die Augen und sagte: »Herr der Heerscharen, bitte, hilf uns zu beenden, was wir angefangen haben, und bitte heiße diesen Mann, John Coffey – wie Kaffee, nur anders geschrieben -, im Himmel willkommen, und gib ihm Frieden. Bitte hilf uns, dass wir ihn verabschieden, wie er es verdient, und dass nichts schiefgeht. Amen.« Ich öffnete die Augen und schaute Dean und Harry an. Beide sahen jetzt ein bisschen besser aus, vermutlich, weil sie einen Augenblick Zeit gehabt hatten, um zu Atem zu kommen. Ich glaube nicht, dass es an meinem Gebet lag.
    Ich wollte aufstehen, und John hielt mich am Arm zurück. Sein Blick war schüchtern und hoffnungsvoll zugleich. »Ich erinnere mich an ein Gebet, das mir jemand beibrachte, als ich klein war«, sagte er. »Ich meine wenigstens, ich kann mich erinnern. Darf ich es aufsagen?«
    »Nur zu, leg los und sag es auf«, sagte Dean. »Wir haben noch reichlich Zeit, John.«
    John schloss die Augen und konzentrierte sich. Ich dachte an Müde-bin-ich-geh-zur-Ruh oder vielleicht eine verstümmelte Version des Vaterunsers, aber ich hörte keines von beidem. Ich hatte nie gehört, was nun kam, und ich habe es auch seither nie wieder gehört, obwohl weder die Intention noch die Wortwahl ungewöhnlich war. John Coffey hielt die Hände vor seine geschlossenen Augen und sagte: »Jesuskindlein, sanft und gelind, bete für mich, ein Waisenkind. Sei mein Freund, sei die Kraft meiner Hände, sei bei mir bis zum Ende. Amen.« Er öffnete die Augen, wollte sich erheben und betrachtete mich dann genau.
    Ich wischte mir mit dem Arm über die Augen. Als ich ihm zugehört hatte, waren meine Gedanken bei Del gewesen; er hatte ebenfalls am Ende noch ein Gebet hinzufügen wollen. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes … »Tut mir leid, John.«
    »Das braucht es nicht«, sagte er. Er drückte meinen Arm und lächelte. Und dann, wie ich es geahnt hatte, half er mir auf die Füße.

10
    Es waren nicht viele Zeugen da – vielleicht insgesamt vierzehn, nur halb so viel wie bei Delacroix’ Hinrichtung. Homer Cribus war da und strapazierte den Klappstuhl mit seiner Masse wie gewöhnlich, aber Deputy McGee sah ich nicht. Er hatte sich offenbar wie Direktor Moores entschieden, diese Hinrichtung zu überspringen.
    In der ersten Reihe saß ein älteres Paar, das ich zuerst nicht erkannte, obwohl ich Fotos von ihnen in vielen Zeitungen bei den Artikeln über diesen Tag in der dritten Woche des November gesehen hatte. Als wir uns dann der Plattform näherten, auf der Old Sparky wartete, zischte die Frau: »Stirb langsam, du Hurensohn!« – und ich erkannte, dass es die Dettericks waren, Klaus und Marjorie. Ich hatte sie nicht wiedererkannt, weil man nicht oft ältere Leute sieht, die kaum über dreißig sind.
    John zog bei den Worten der Frau und Sheriff Cribus’ beifälligem Grunzen die Schultern ein. Hank Bitterman, der als Wachposten bei der dürftigen Gruppe von Zuschauern stand, ließ Klaus Detterick nicht aus den Augen. Das entsprach meinen Anweisungen, aber Detterick machte in dieser Nacht keinen Mucks in Johns Richtung. Detterick war scheinbar auf einem anderen Planeten.
    Brutal, der neben Old Sparky stand, gab mir einen kleinen Wink, als wir auf die Plattform traten. Er schob seine Waffe ins Holster, ergriff Johns Handgelenk und führte ihn so sanft zum elektrischen Stuhl, wie ein Junge seine Angebetete zum ersten gemeinsamen Tanz auf die Tanzfläche geleitet.
    »Alles in Ordnung, John?«, fragte er leise.
    »Ja, Boss, aber …«

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