The Haunted
passierte erst … später. Ich hatte natürlich meine Lieblingsorte, die Brücke und den Friedhof, aber ich konnte mich überall in diesem Tal frei bewegen. Und auch Katy bin ich eine ganze Zeit lang gefolgt.« Er blinzelte ihr verschmitzt zu.
»Was ist mit berühren? Konnten Sie und Katy einander von Anfang an berühren?«, fragte ich, während ich etwas Honig in meinen Tee rührte und beobachtete, wie sich die braune Flüssigkeit auflöste.
»Nein, wir konnten einander nicht berühren«, antwortete Katy.
»Nein? Warum nicht?«
»Ich weiß nicht. So war es eben.«
»Wusstet ihr beide, dass Caspian tot ist, als ihr ihn kennengelernt habt?«, fragte ich.
Sie tauschten einen langen Blick aus.
»Ja«, sagte Nikolas langsam. »Wir spüren so etwas. Und …« Nikolas zeigte hinter sein Ohr. »Was siehst du hier?«
Ich sah genauer hin. »Sie haben auch eine schwarze Strähne. Wie Caspian?«
Er nickte. »Als ich sie bei ihm sah, wusste ich Bescheid.«
»Haben Sie auch eine, Katy?«, fragte ich.
»Ja. Auch wenn meine weiß ist.«
»Aber was ist, wenn sich jemand die Haare färbt?«, wandte ich ein. »Ich mache das andauernd.«
»Es ist leicht zu erkennen, was natürlich ist und was nicht«, erklärte Nikolas. »Caspian hat, was mich anbelangt, auch etwas gespürt. Weil ich ihn sehen konnte, hielt er mich für gefährlich. Er konnte sein Gefühl nicht deuten.«
Er erzählte weiter. »Ich habe auch gespürt, dass du eine besondere Person bist. Manchmal bemerken es kleine Kinder und besonders sensible Menschen beinahe, wenn ich da bin, aber du konntest mich sofort sehen. Und als du in der Lage warst, mich zu umarmen, war das für sich genommen schon eine Bestätigung.«
Ich nippte bedächtig an meinem Tee und versuchte, dies alles zu begreifen. »Und was ist dann passiert, nachdem Sie … gestorben sind, Katy? Haben Sie und Nikolas sich einfach wiedergefunden? Einfach so?«
Sie rührte in ihrem Tee und wandte den Blick von mir ab. »Ja, so ungefähr ist es gelaufen.«
Ich bekam das Gefühl, dass es da noch etwas gab, das sie aber nicht sagen wollte. Sie will nicht über ihren Tod sprechen. Nimm das als Hinweis, Abbey.
»Zumindest ist es so gekommen, dass ihr beide hier miteinander leben könnt«, sagte ich und ließ den Blick in dem gemütlichen Häuschen schweifen. »Ein immerwährendes Glück.«
Plötzlich fragte Katy: »Möchtest du ein paar von unseren Andenken sehen? Wir haben Dokumente und persönliche Gegenstände.«
Als ich bejahte, holte Nikolas ein hölzernes Kästchen vom Kaminsims. Ich bewunderte voller Ehrfurcht Katrinas Geburtsurkunde (ein fein säuberlich per Hand geschriebenes Pergament, datiert Im Jahr Unseres Herrn 1775) und handgemalte Porträts: Katy, wie sie steif neben einem Tisch mit einer Vase darauf posierte, Nikolas, voller Stolz in seiner hessischen Uniform, ein weiteres Bild von Katy als Baby in einer Korbwiege …
Es war beeindruckend, solch geschichtsträchtige Dinge in den Händen zu halten. Ich ging sorgsam damit um und befürchtete beinahe, dass eine falsche Bewegung sie schlagartig in Staub verwandeln könne. Doch dann fiel es mir plötzlich ein, ein Gedanke, der mir ins Gehirn fuhr wie ein Blitz. »Oh!« Ich stöhnte. »Ich muss nach Hause! Meine Eltern werden mich umbringen!«
Eilig rappelte ich mich auf. Wie konnte ich nur so vollständig die Zeit vergessen haben? Ich musste schnellstens nach Hause.
»Ich komme euch bald wieder besuchen«, versprach ich, bereits auf dem Weg zur Tür. »Danke, dass ihr mir das alles erzählt habt.«
Katy rief mir »Auf Wiedersehen« hinterher und Nikolas folgte mir bis vor die Haustür. Ich war überrascht, wie hell es draußen war.
»Abbey«, sagte Nikolas. »Abbey, pass auf. Ich weiß, damals nachts am Fluss habe ich zu dir gesagt, du sollst zu Caspian gehen, aber du musst auf dich aufpassen. Vielleicht … vielleicht wäre es das Beste, wenn du ihn nicht mehr sehen würdest.«
»Freut mich, dass Sie sich um mich sorgen«, erwiderte ich. »Wirklich. Das bedeutet mir viel. Aber mir passiert schon nichts.«
Doch anstatt Erleichterung zu zeigen, wurde seine Miene noch besorgter.
Kapitel dreizehn – Normales Benehmen
»Und dann reichte ihm die Dame, wie sich von selbst versteht, ihre Hand. «
Sleepy Hollow von Washington Irving
Ich rannte, so schnell ich konnte, nach Hause, doch als ich ankam, schritt Mom bereits im Flur auf und ab. »Wo bist du gewesen?« ,schrie sie mich fast an. Ich tapste in die Küche, verschwitzt und
Weitere Kostenlose Bücher