The Hollow
war interessant genug, mich in der ersten Nacht zu fesseln. Aber am Nachmittag war ich zu müde, um mir neue Bücher zu besorgen, und das wurde zum Problem, als es auf Mitternacht zuging.
Mit dem Durchblättern alter Zeitschriften schlug ich in der zweiten Nacht die Zeit tot, aber es gelang mir weniger gut und ich nickte immer wieder ein. Mein Körper verlangte nach Schlaf und so dauerte es ewig, bis der Morgen kam.
In der nächsten Nacht rief ich Kristen an.
Nachdem ich meine E-Mails gecheckt hatte, einschließlich aller alten Nachrichten, die ich je geschrieben hatte, war erst eine Stunde vergangen. Ich versuchte es in ein paar bekannten Chatrooms, aber niemand, den ich kannte, war online und auf neue Freunde hatte ich keine Lust.
Ich hätte mir ein paar neue Shoppingseiten ansehen können, aber das fand ich auch nicht besonders spannend. Was ich echt vermisste, war Kristens Buddy-Icon, das anzeigte, dass sie online war. Wir waren fast immer zur selben Zeit online gewesen. Es war seltsam, ihren Namen nicht automatisch auf dem Bildschirm aufleuchten zu sehen. Mit einem tiefen Seufzer drückte ich die Off-Taste und sah den Bildschirm dunkel werden.
Ich drehte mich langsam auf meinem Stuhl hin und her und sah mir an, was auf meinem Schreibtisch herumlag. Auf der einen Seite lagen ein paar Papierstapel und neben einem kleinen Schmuckkasten lehnten einige CDs. Mein Handy war ans Netzteil angeschlossen und signalisierte mit einem roten Licht, dass es aufgeladen war. Ich nahm es in die Hand und drückte automatisch auf die »1«, die Kurzwahl für Kristen. Erst als ich ihre Stimme auf der Mailbox hörte, merkte ich, wie idiotisch ich mich benahm.
Ihre Stimme klang so normal, so vertraut und so … real. Bevor sie verschwunden war, hatte ich ihr fast täglich Nachrichten auf dem Handy hinterlassen, ohne dass ich jemals darüber nachgedacht hätte. Kurze Nachrichten, lange Nachrichten, komische Nachrichten, sogar ärgerliche Nachrichten … alles, was man sich vorstellen kann. So eine kleine, unbedeutende Sache, aber jetzt erst erkannte ich, wie wichtig jede dieser Nachrichten tatsächlich gewesen war.
Am anderen Ende der Leitung war ein lauter Piepton zu hören. Ich wusste nicht, ob ich etwas sagen sollte. Eine Sekunde lang hielt ich den Atem an, schwieg und dann sprudelten die Worte und Gedanken vollkommen ungeordnet aus mir heraus. »Hi, Kristen, ich bin’s. Ich weiß nicht … Ich weiß nicht, was ich sagen soll, ich weiß nicht mal, warum ich das tue. Nicht, dass ich nicht … Das ist … blöd … Es tut mir leid …«
Frustriert und wütend auf mich selbst, weil ich angerufen hatte, legte ich auf. Schließlich würde sie mich nicht zurückrufen. Wo auch immer sie war, ihr Handy war nicht bei ihr. In der Nacht, in der sie verschwunden war, hatte sie es mit leerem Akku zu Hause liegen gelassen.
Ich nahm ein leeres Blatt Papier vom Schreibtisch und fing an zu kritzeln. Kleine Bildchen, bizarre Muster, verrückte Symbole … alles, was mir in den Sinn kam. Wieder und wieder schmierte ich all diese Dinge hin, bis ich ein neues Blatt nehmen musste. Dann fing ich an, meine Gedanken niederzuschreiben. Über alles und nichts. Als es dämmerte, hatte ich acht Blatt Papier mit einzelnen Satzfetzen gefüllt. Ich war total erschöpft, aber jetzt, als der Morgen kam, fiel ich in tiefen Schlaf.
Wieder verschlief ich das Frühstück und hätte am liebsten auch das Mittagessen ausgelassen, als ich in die Küche stolperte und Mom mich seltsam ansah.
»Bist du okay, Abbey?«, fragte sie und legte mir die Hand auf die Stirn.
»Klar bin ich okay«, sagte ich und setzte mich an den Tisch. »Ich kann in der letzten Zeit nur so schlecht einschlafen.«
Sie brachte zwei Wasserflaschen, setzte sich neben mich und schob mir eine zu. Ich starrte auf meine Hände, die auf dem Tisch lagen, und achtete auf nichts anderes. Es war wohl echt das Beste, wieder ins Bett zu gehen. Ich war fix und fertig.
»Glaubst du, dass du wegen der Beerdigung nicht schlafen kannst?« Bei Moms plötzlicher Frage zuckte ich zusammen.
Ich wollte jetzt nicht darüber reden. »Wahrscheinlich hat es etwas damit zu tun.« Das Gespräch aus dem Beerdigungsinstitut kam mir in den Sinn und ich konnte wieder die Frauen hören, die sich über Kristen unterhielten. »Vielleicht hat es aber auch etwas mit der Tatsache zu tun, dass einige Leute in dieser Stadt keinen Anstand haben und kein Benehmen.«
Sie runzelte die Stirn. »Wie meinst du das?«
»Ich meine,
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