The Hollow
angenehme Fahrt und ich schaffte es tatsächlich, wach zu bleiben.
Umgeben von meinen Einkäufen, konnte ich es später an diesem Abend kaum erwarten, endlich mit meiner Arbeit weiterzumachen. Seit Kristens plötzlichem Verschwinden hatte ich die Lust am Parfummachen verloren. Ich war nicht mehr mit dem Herzen dabei, deshalb hatte ich es ganz aufgegeben. Aber heute Abend war es anders. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte ich das Gefühl, wieder ich selbst zu sein. Ich war bereit, ein neues Projekt anzugehen.
Ich hatte kein Problem, wach zu bleiben, als ich meinen Arbeitsplatz einrichtete. Ein neues Parfum herzustellen, erfordert ein Höchstmaß an Konzentration und umfangreiche Notizen während des gesamten Vorgangs und mir war klar, dass ich viel Arbeit vor mir hatte. Mitternacht kam und ging, ich nahm es kaum wahr. Gegen fünf Uhr morgens merkte ich erstaunt, dass es Zeit wurde, ein bisschen Schlaf zu bekommen.
Ich schlief tief und fest, und als ich am Nachmittag aufwachte, war ich voller Tatendrang und Vorfreude. Ein neues Parfum zu kreieren, war eine knifflige Aufgabe. Sie beinhaltete mehrere Tests mit unterschiedlichen Ölzusammenstellungen, man musste Reaktionen abwarten, Notizen überprüfen, Proben vergleichen, Ergebnisse notieren und mit jeder weiteren Duftauswahl begann der ganze Prozess von Neuem.
Ich genoss jede einzelne Minute davon.
Es gab Millionen von möglichen Duftkombinationen und es war meine Aufgabe, diejenigen herauszufinden, die zusammenpassten. Das war nicht immer leicht, aber auch niemals langweilig. Und das Beste an der ganzen Sache war, dass die Nächte wie im Flug vergingen. Sie zogen sich nicht mehr in die Länge oder bedrohten mich mit Schatten und Träumen.
Jeden Abend fing ich ein bisschen früher an und schlief ein bisschen weniger während des Tages. Nachdem die Formel für Moms Herbstparfum stand und ich einen neuen Winterduft kreiert hatte, versuchte ich etwas Neues. Etwas, das mich nervös machte und wovor ich mehr als nur ein wenig Angst hatte, von dem ich aber wusste, dass ich es tun musste.
Ich wollte ein Parfum für Kristen machen.
Sie hatte mich mehrfach gebeten, eins ganz speziell für sie herzustellen, aber ich hatte immer gezögert. Es war eine Herausforderung, ein Parfum für jemand zu machen, das nicht nur gut roch, sondern sich auch gut mit der Chemie ihres Körpers vertrug. Weil Kristen meine beste Freundin war, fühlte ich mich besonders unter Druck, weil der Duft perfekt zu ihr passen sollte. Ich hätte sie um nichts in der Welt enttäuschen wollen. Doch jetzt wollte ich es versuchen.
Es stellte sich als außerordentlich schwierig heraus.
Viel schwieriger, als ich es mir vorgestellt hatte.
Ich fand keine Düfte, die gut zusammenpassten, und nach ein paar Stunden des Herumprobierens gab ich es auf. Ich stand von meinem Arbeitstisch auf und lief durchs Zimmer, um mir die Beine zu vertreten. Zwischen meinen Augen kündigten sich Kopfschmerzen an und ich rieb mir mit den Fingerspitzen die Schläfen. Wenn ich Kopfschmerzen hatte, konnte ich unmöglich mit starken Düften arbeiten. Ich hätte mich nicht konzentrieren können.
Ich schnappte mir ein paar Kissen vom Fußende meines Betts, trug sie zur Fensterbank und stapelte sie übereinander. Ich hoffte, die Kopfschmerzen würden verschwinden, wenn ich eine Zeit lang die Augen ausruhte.
Ich kuschelte mich in die Kissen und lehnte mich mit der Wange gegen die Fensterscheibe. Sie war kühl und linderte das Pochen in meinem Kopf. Ich seufzte vor Erleichterung. Es war sehr gemütlich. Ich hätte stundenlang so sitzen bleiben können …
Als ich die Augen aufschlug, sah die Welt da draußen merkwürdig orange aus. Dann erst merkte ich, dass die Sonne gerade aufging. Ich hatte ohne Albträume die ganze Nacht durchgeschlafen.
In den nächsten Tagen änderte ich allmählich meinen Schlafrhythmus. Ich schlief zwar erst nach Mitternacht ein, aber wenigstens schlief ich nicht mehr tagsüber. Und das war auch gut so, denn am Montag fing die Schule wieder an.
Kapitel vier – Die ersten Tage
»Sein Schulhaus war ein niedriges, roh aus Holzbalken gezimmertes Gebäude mit einer einzigen Stube, deren Fenster teils Glasscheiben besaßen, teils mit Blättern aus alten Schreibheften verklebt waren. «
Sleepy Hollow von Washington Irving
Am Montagmorgen war ich schon vier Blocks von zu Hause, entfernt, bevor ich merkte, dass ich in die verkehrte Richtung ging. Wie angewurzelt blieb ich mitten auf dem Bürgersteig
Weitere Kostenlose Bücher