The Hollow
irgendwie merkwürdig über der Bettkante hing. Zwischen Matratze und Bettrahmen fühlte ich etwas Hartes und ich tastete weiter, um herauszufinden, was es war.
Es war ein kleines Buch, etwa so groß wie ein … Tagebuch. Ich musste die Matratze anheben und meine Hand unter den Rahmen schieben, aber dann hatte ich es.
Es sah genauso aus wie das Buch, das ich in der Hand hielt. Nur dass es nicht schwarz war, sondern rot. Jetzt wurde ich neugierig. Hatte ich noch eins von Kristens Tagebüchern gefunden? Ich schlug die erste Seite des schwarzen Tagebuchs auf und suchte nach einem Datum. Der erste Eintrag war vom 19. April. Dann schlug ich das rote Buch auf und suchte ebenfalls nach dem Datum.
19. April … Dasselbe Jahr. Warum hatte sie zwei Tagebücher gleichzeitig geführt?
Ich hockte auf den Fersen und schlug das rote Buch auf. Ich wollte unbedingt ein paar Antworten finden. Wieder hatte ich einen Anflug von schlechtem Gewissen, aber meine Neugier war einfach stärker.
Ich versuchte, mein Schuldgefühl zu beruhigen, indem ich mit mir selbst einen Handel abschloss. Wenn ich die Tagebücher nur ein einziges Mal las und sie dann wieder wegpackte, würde ich nichts wirklich Schlimmes tun. Und Kristens Mom hatte gesagt, ich könnte mir nehmen, was ich wollte. Natürlich hatte sie mehr an so etwas wie Anziehsachen oder CDs gedacht, aber darum ging es nicht.
Ich wollte gerade anfangen zu lesen, als Mom mich von unten rief. Ich zuckte zusammen, sprang auf und sah mich im Zimmer um. Ich brauchte etwas …
Das rote Shirt am Schrank. Perfekt.
Ich schnappte es mir und wickelte die Tagebücher sorgfältig hinein. Als ich auf dem Weg zur Tür an Kristens Schreibtisch vorbeikam, fiel mir ein zerknittertes Stück Papier aus einem Notizheft auf. Daneben lag ein Lippenstift. Ich zog die Hülse ab und sah, dass er dunkelrot war.
Um ein Zeichen zu hinterlassen, eine Art endgültigen Abschiedsgruß, glättete ich das Papier und kritzelte »Erinnerungen sind für die Ewigkeit« darauf. Mit großen, kühnen Buchstaben schrieb ich meinen Namen darunter, steckte die Hülse wieder auf den Lippenstift und verstaute beides in der obersten Schublade.
Vorsichtig machte ich die Tür hinter mir zu und ging die Treppe hinunter, wo Mom schon auf mich wartete. Ganz sicher waren Erinnerungen für die Ewigkeit.
Sobald wir zu Hause waren, ging ich in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir ab. Sicherheitshalber ging ich dann in den begehbaren Kleiderschrank und schloss auch diese Tür hinter mir ab. Ich setzte mich auf einen Haufen von Stofftieren und machte es mir bequem. Hier würde mich niemand stören.
Ich legte die beiden Tagebücher ordentlich nebeneinander und begann mit dem schwarzen. Die erste Seite war eher unschuldig …
19. April – Freitagmorgen
Dieses Wochenende wollen Abbey und ich ein paar ätherische Öle und Flaschen einkaufen, die sie braucht. Neben dem Shoppingcenter gibt es einen neuen Laden und sie kann es kaum erwarten, ihn zu sehen. Ich war einverstanden unter der Bedingung, dass wir im Einkaufszentrum nach Schuhen gucken und uns vielleicht eine Zimtbrezel gönnen. Sie tat so, als fiele es ihr schwer zuzustimmen, aber sie konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Sie ist echt komisch. Wenn wir zurückkommen, muss ich mit meiner Abschlussarbeit für Naturwissenschaft anfangen. Eine schlechtere Note als Eins minus kann ich mir nicht leisten, also muss ich mir echt Mühe geben.
Ich wünschte, die Schule würde mir leichter fallen. Manchmal habe ich das Gefühl, irgendwann platzt mir der Kopf vor lauter Algebra, Biologie und Geschichte, womit ich ihn vollstopfen muss.
Na ja, irgendwann.
Kristen
PS: Komme gerade aus dem Einkaufszentrum zurück und bin stolze Besitzerin total süßer brauner Sandalen. Her mit dem schönen Wetter, damit ich meine hinreißenden neuen Schuhe auch vorzeigen kann!
Ich musste lächeln, als ich las, was sie in ihrer kleinen, ordentlichen Handschrift geschrieben hatte. Es war so typisch Kristen. Dann las ich das rote Tagebuch.
19. April – Freitagabend
Ich habe beschlossen, dieses andere Tagebuch anzufangen, um über D. zu sprechen. Ich habe Angst, wenn ich irgendetwas darüber in mein eigentliches Tagebuch schreibe, wird es verschwinden wie ein Traum.
D. hat heut Abend angerufen. Wir haben über eine Stunde telefoniert und morgen will er sich mit mir treffen. Ich bin so nervös. Ich kann nicht glauben, dass er sich wirklich für mich interessiert. Ist es ein Traum?
Weitere Kostenlose Bücher