The Homelanders - Im Visier des Todes (Bd. 4) (German Edition)
Anwälte stellen einen Revisionsantrag. Es wird ein bis zwei Monate dauern, bis er durch ist, aber er könnte meine Freilassung bewirken.«
»Glaubst du wirklich?«, fragte sie, und fast versagte ihre Stimme. Das versetzte meinem Herzen einen Stich.
»Wir werden sehen«, meinte ich. »Sie arbeiten daran. Wir werden sehen.«
Wieder wanderten ihre Augen über mein Gesicht. »Ein bis zwei Monate. Dann wirst du an Weihnachten nicht da sein.«
»Ich weiß. Aber das macht nichts. Mach dir keine Sorgen.«
»Okay.«
»Das klang nicht besonders überzeugend.«
»Ich habe solche Angst um dich, Charlie. Sieh dich doch an. Warum schützen sie dich nicht besser?«
Ich rang mir ein Lächeln ab. »Sieh es als Gelegenheit, Karate zu trainieren.«
Es war kein besonders guter Witz, aber sie versuchte trotzdem, zu lächeln. »Ich soll dich übrigens von Sensei Mike grüßen. Du darfst diese Woche ja keinen Besuch mehr haben, deshalb wartet er bis zum nächsten Besuchstag. Josh, Miler und Rick wollen auch kommen.« Ihre Stimme brach, und wieder spürte ich diesen Schmerz in mir. Aber sie schluckte die Tränen herunter. »Tut mir leid. Aber es ist so schrecklich. Wenn ich darüber nachdenke, dass man dich hier einsperren kann, obwohl du doch überhaupt nichts getan hast … Es ist schrecklich, dass sie dir vorschreiben können, wen du sehen darfst oder wer dich besuchen kann.«
»Ja. Sie können dir hier so ziemlich alles vorschreiben. Wo du hinzugehen, was du zu tun hast, wann du essen darfst …«
Ich verstummte und biss mir auf die Unterlippe, saß einfach da und sah sie an.Wie ein kranker Adler, der in den Himmel schaut.
Als der Aufseher kam und uns mitteilte, die Besuchszeit sei zu Ende, sank etwas in mir nach unten und fiel ins Bodenlose. Es würde eine ganze Woche dauern, bis ich wieder einen der Menschen sah, die ich liebte. Eine Woche umgeben von Mauern, Gewehren und zornigen Männern.
Ich sah zu, wie Beth zusammen mit den anderen Besuchern den Gang hinunterging. Bevor sie durch die Tür verschwand,drehte sie sich noch einmal um und winkte. Mir war, als würde ich in einen Abgrund stürzen. Und doch war ich fast froh, dass sie weg waren. Ich konnte es kaum ertragen, dass sie mich so gesehen hatten. In dieser grauen Kluft mit einer Nummer darauf, herumgeschubst von Wärtern, die mir sagten, was ich tun durfte und was nicht.
Wie ein Tier in einem Käfig.
Ich komme hier raus , schwor ich mir. Rose holt mich raus. Zwei Monate, vielleicht drei. Ich darf nur den Mut nicht verlieren. Ich muss nur überleben.
Aber da irrte ich mich gewaltig.
7
M IT DEM M UT DER V ERZWEIFLUNG
Mittagszeit.
Die Kantine war ein großer Raum mit grünen Ziegelwänden und einer Metalldecke. Zu beiden Seiten der langen Tische aus glänzendem Metall standen Bänke, die am Boden festgeschraubt waren. Die Häftlinge bewegten sich in einer grauen Schlange auf die Essensausgabe zu. Gefängnisangestellte schaufelten Fleisch auf die Teller, daneben irgendein Gemüse und Kartoffeln. An der Wand standen Aufseher und beobachteten uns mit Argusaugen.
Ich dachte an die Mensa in meiner Highschool und erinnerte mich, wie ich mit Josh, Miler und Rick dort herumgealbert hatte, wie ich zum ersten Mal mit Beth gesprochen hatte und sie dann ihre Telefonnummer auf meinen Arm schrieb. Es war erst ein gutes Jahr her, aber mir kam es vor wie ein anderes Leben.
Ich trug mein Tablett zu einem Tisch an der Wand und setzte mich. Beim Essen behielt ich ständig meine Umgebung im Auge, denn sollte wieder jemand versuchen wollen, mich zu töten, wäre dieser Ort dafür ziemlich gut geeignet, Aufseher hin oder her.
Also aß ich und passte auf. Aber so etwas wie eine entspannte Mahlzeit gab es in Abingdon ohnehin nicht.
Nach ein paar Minuten fiel mir etwas Seltsames auf: Ichsaß ganz allein an dem Tisch. Die Bänke um mich herum waren leer, als würden die anderen Häftlinge mich meiden. Mein Adrenalinspiegel stieg. Irgendetwas ging hier vor …
Doch urplötzlich füllten sich die Bänke an meinem Tisch – und ehe ich mich’s versah, war ich von den Häftlingen umgeben, die ich draußen auf dem Hof an den Gewichten gesehen hatte, die Typen mit den Hakenkreuz-Tattoos. Der Löffel, den ich gerade zum Mund führen wollte, schwebte unschlüssig in der Luft.
»Iss weiter«, befahl der Mann rechts neben mir.
Ich kannte ihn. Jeder in Abingdon kannte ihn. Er hieß Joe Chubb, aber sein Spitzname war Blade, die Klinge. Er hatte den Typ mit dem Wolfsgesicht außer
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