The Homelanders - Im Visier des Todes (Bd. 4) (German Edition)
Gefecht gesetzt, der versucht hatte, mich umzubringen. Blade war der Anführer der Hakenkreuz-Jungs und nicht gerade das, was man einen netten Kerl nennen würde. Er saß wegen Mordes, hatte einen Mann in einer Bar zu Tode geprügelt. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er dazu imstande war. Seine ganze Erscheinung war zum Fürchten: groß und breit, mit schmutzig braunen Haaren und einem Gesicht, das aussah, als habe es jemand mit dem Hammer aus einem Felsen gemeißelt. Seine Haut war übersät mit Furchen und Narben. Einige davon waren Aknenarben, andere wahrscheinlich durch irgendwelche Verletzungen entstanden. Sein schmaler, spitzer Kinnbart verlieh ihm ein diabolisches Aussehen. Aber das Unheimlichste an ihm waren seine Augen. Sie schauten irgendwie entrückt und verträumt, allerdings auf eine beängstigende Art. Er schien von brutalen, bösen Dingen zu träumen; ein Traum, den er offenbar genoss und Wirklichkeit werden zu lassen versuchte.
Er sprach mit einem leisen Flüstern. Wie ein kehliges Schnurren, das mich an eine Katze erinnerte, die eine Maus zu Tode quält und sich dabei prächtig amüsiert.
»Hör zu. Wir machen die Biege. Wir könnten dich gebrauchen.«
Ich blinzelte ihn verständnislos an. Wovon redete er?
»Wir türmen«, erklärte er flüsternd.
»Türmen?«
»Leise, du Schwachkopf.«
Dann kapierte ich: Sie planten einen Ausbruch!
»Seid ihr verrückt?«, platzte ich heraus, senkte dann aber die Stimme. »Seid ihr verrückt? Das ist unmöglich. Sie werden euch töten.«
Blade schüttelte den Kopf und lächelte sein verträumtes Lächeln. »Nichts ist unmöglich, Schwachkopf. Alles ist vorbereitet. Direkt nach Weihnachten.«
Ich blickte kurz auf, um zu sehen, ob die Wärter uns beobachteten. Sie standen mit dem Rücken zur Wand und ließen den Blick durch den Raum schweifen, aber keiner von ihnen schien uns besondere Beachtung zu schenken.
Ich tat so, als würde ich weiteressen. »Was wollt ihr von mir?«, fragte ich aus dem Mundwinkel.
»Wir könnten dich gebrauchen«, wiederholte er.
»Wozu?«
»Kann ich dir jetzt nicht erklären. Ist nicht der richtige Ort und nicht die richtige Zeit. Sag mir einfach, ob du dabei bist oder nicht.«
Ich hatte keine Ahnung, was ich antworten sollte. Was konnte ein Typ wie Blade von mir wollen? Ich saß nur da und starrte hilflos vor mich hin.
»Ja oder nein? Entscheide dich, Schwachkopf«, drängte er.
Schließlich schüttelte ich den Kopf. »Ich habe eine Berufung laufen. Mein Anwalt meint, ich könnte in ein paar Monaten rauskommen …«
»Hör mal, du Penner, du hast keine paar Monate mehr«, schnurrte Blade und stieß ein hässliches Lachen aus. »Deine islamistischen Freunde haben ihre Pläne nicht geändert, das weiß ich ganz genau. Sie wollen dich immer noch abstechen. Wenn du nicht mitmachst, kommst du nur in einem Sarg hier raus.«
Ich schaute ihn an. Er machte keine Witze. Blade gehörte zu den Typen, denen gewisse Sachen zu Ohren kamen. Alle Informationen, die im Gefängnis kursierten, landeten irgendwann bei ihm. Wenn er sagte, die Islamisten würden wieder zuschlagen, konnte ich davon ausgehen, dass er recht hatte. Außerdem machte es Sinn. Prince lief frei herum, und jeder radikale Islamist im Gefängnis würde versuchen, mich zur Strecke zu bringen, um seine Gunst zu gewinnen.
»Das nächste Mal können wir dich nicht mehr beschützen«, mahnte Blade. »So oder so, wir sind dann nicht mehr da.«
Ich nickte. Aber was für einen Unterschied machte das? Ein Gefängnisausbruch kam für mich natürlich überhaupt nicht infrage – schon gar nicht mit diesen Nazi-Idioten. Ich musste einfach mit allen Mitteln versuchen, hier drin am Leben zu bleiben, bis Rose mich rausholte.
»Viel Glück«, sagte ich zu Blade.
»Wie du meinst«, antwortete er.
Wie auf ein Signal standen er und seine Freunde auf, und ich saß wieder allein an dem langen Tisch.
Ich starrte auf mein Tablett, fühlte mich seltsam dumpf und orientierungslos, als würde ich unter Wasser dahintreiben. Was sollte ich jetzt tun? Sollte ich jemandem erzählen, was ich wusste? Sollte ich die Gefängnisleitung warnen, dass es einen Ausbruch geben würde? Oder sollte ich einfach den Mund halten?
Oh Mann, manchmal kann die Entscheidung, was man tun soll, was richtig und was falsch ist, verdammt schwer sein. In der Theorie ist es leicht, wenn man nur dasitzt und darüber nachdenkt, aber nicht in der Praxis, im wirklichen Leben. An einer Sache bestand jedenfalls kein Zweifel:
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