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The Hood

The Hood

Titel: The Hood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Knight
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die Alkoholmengen sind absolut unglaublich. Ein Mann trank an einem Tag fünfundvierzig Pints. Drei Beutel sind in Glasgow nichts, überhaupt nichts. Drei Beutel Heroin. Es ist einfach nichts. Sie beobachtet, dass ihre Klienten immer kreativer werden. Sie fangen an, sich Alkohol zu spritzen, denn anders erreicht es nicht schnell genug das Gehirn. Sie füllen die Spritze einfach mit Wodka und injizieren das in eine Vene.
    Cathy und ihre Kollegen gehen mit der Neuen zum Mittagessen in Coia’s Cafe, ein geschäftiges, familiengeführtes italienisches Restaurant, das es schon seit Jahrzehnten in der Duke Street gibt. Für das East End ist es ein wenig teuer, aber Albertos Service ist phantastisch, dazu der Schmalz von Frank Sinatra und frische Meeresfrüchte-Pasta.
    »Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Arbeitstag.« Cathy strahlt sie an. »Wir gingen mit fünfzehn Leuten runter in die Tennents Bar im West End, und dann kommt dieser Typ mit seinem Bauchladen rein und fängt an, uns Hehlerware anzupreisen.«
    Das Verhältnis zwischen ihr und ihren Kollegen war schon immer eng wie in einer Familie, sie vergessen nie einen Geburtstag, und als sie krank war, haben sie ihr eine riesige Karte und einen Korb mit Toilettenartikeln aus dem Body Shop geschickt. Sie sind füreinander da und sprechen bei einer Flasche Wein zu Hause über ihre Klienten. Bei einem echt harten Fall oder bei einem Todesfall müssen sie zusammen ausgehen. Auch die Abteilungsleiter kommen, das gibt es in anderen Abteilungen nicht.
    Sie gehen alle ins O’Neills am Merchant Square, ein großer, sicherer Pub mit wechselnden lokalen Bands, und dort tanzen sie ordentlich, lassen so richtig die Sau raus. Die Jüngeren ziehen über Paul her wegen seiner Vorliebe für die Stones, Leonard Cohen oder Dylan, denn im Team klafft eine Alterslücke von gut zwanzig Jahren. Dann geht’s weiter in die Arta Bar zu einer wilden katalanischen Session auf den bestickten roten Sofas. Cathy ist normalerweise Teil des harten Kerns, der dann weiterschwankt auf das Gala Riverboat Casino, das bis um fünf ge­öffnet hat. Der Laden wimmelt von betrunkenen Mädchen und schmierigen Unterwelt-Typen. Die fotografieren einen beim ­Hineingehen, aber falls es unschön wird, bekommt man alkoholfreie Getränke aufs Haus. Die Weihnachtsfeier findet immer im Oran Mor statt, einem vibrierenden Kulturzentrum mit Bars und einem Club in einer ehemaligen Kirche mit einem riesigen Neonkranz um den Kirchturm.
    Tagsüber gibt es wenige Belohnungen, und wenn, dann sind sie zumeist sehr klein – ein Bett in einem Obdachlosenasyl finden, einen winzigen Scheck von einer Wohltätigkeitsorgani­sation erhalten. Eine echte Leistung ist es schon, wenn man für jemanden eine Wohnung oder einen Job findet. Ihre Kollegen zeigen alle Mitgefühl, sie sind mit hohen Werten zur Sozialarbeit gekommen, um für Menschen die Lebensqualität zu verbessern.
    Nach dem Mittagessen im Coia’s kehrt sie zur Arbeit zurück und sitzt mit ihrer Männergruppe aus dem East End zusammen, achtet darauf, ihre Stimme ruhig und leise zu halten, wie ein Navi. In der ersten Übung bittet sie die Teilnehmer, Gefühle zu benennen und zu identifizieren, aber es fällt ihnen unendlich schwer. Ein Mann im Glasgower East End darf sein ganzes Leben lang nicht weinen, nur bei der Geburt eines Kindes. Die einzigen erlaubten Emotionen sind Wut und Glück, alles andere ist Schwäche. Als sie ihnen Scham erklärt, wie es sich anfühlt, ist es beinahe, als versuche sie, ihnen Suaheli beizubringen. Aber die anderen, die bereits länger dabei sind, können den Neuankömmlingen Tipps geben, und Cathy wird belohnt mit ihrem unsicheren, schrittweisen Fortschritt.
    In der letzten Woche, wenn sie die Ereignisse schildern, die unmittelbar zu ihrer Straftat führten, ist die Veränderung phänomenal. Sie findet ihr neuerlangtes Bewusstsein ergreifend. Während sie der Reihe nach hinausgehen, andere Männer, hat sie das Gefühl, dass sich alles gelohnt hat, wenn sie nicht mehr versuchen, jedes Problem mit Gewalt zu lösen. Die echte Bewährungsprobe steht dann Samstagabend an, wenn sie mit pappigen Fritten im Regen an der Bushaltestelle stehen und von einem tollpatschigen Jugendlichen angerempelt werden. Sie legt die Unterlagen der Gruppe ordentlich in einem orangefarbenen Aktenordner ab und schnappt sich ihre Jacke.
    *
    Es ist 1996, und »Wonderwall« von Oasis plärrt aus dem vierundzwanzigsten Geschoss von Kennys Wohnsilo in Shettleston,

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