The Hood
schleicht sich hinein. Reihenweise Pflanzen unter dem grellen Schein starker Halogenlampen. Er schneidet sie ab, sammelt sie ein und stopft sie in schwarze Müllsäcke. Auf der Straße wird er die Pflanzen für 3 000 Pfund weiterverkaufen können. Eine Anzeige wird es nicht geben.
Flow kann problemlos Kontakt zu Käufern aufnehmen. Von seinen eigenen Fußsoldaten ist er uneingeschränkten Respekt gewohnt, aber diese neuen Kids in Gorton erkennen ihn nicht. Er war nur vier Jahre fort, und doch wimmelt es von frischen, jüngeren Gesichtern. Sie sind zum Teil erst dreizehn Jahre alt, und alle versuchen aufzusteigen und sich einen Namen zu machen. Nach Moss Side kehrt er nicht zurück für den Fall, dass ihn jemand erkennt. Aber hier in Gorton kann er sich frei bewegen und kein Mensch weiß, wer er ist.
»Woher kommst du?«, will einer der Jugendlichen wissen, als er Flow das Geld für die prall gefüllten Müllsäcke gibt.
»Aus dem Knast«, antwortet Flow.
»Wer ist dein General?«
»Merlin.«
»Merlin und Flow? Du kennst die?«
Und sofort erzählt ihm der Junge eine Geschichte über Flow, ohne auch nur zu ahnen, wen er gerade vor sich hat. Flow lächelt nur, sagt nichts. Es kommt ihm gelegen. Er ist einer dieser Namen, die irgendwo im Äther existieren, eine Legende aus der Vergangenheit. Er wird einfach abwarten, bis Merlin rauskommt, und dann werden sie zusammen neue Pläne ausbrüten. Für den Moment ist er glücklich damit, sich nicht zu rühren, abzuwarten und ein bisschen Geld zu verdienen.
Im Laufe des Jahres sickern nur sehr wenige Informationen über Flows Aktivitäten bis zu Svensson durch. Er weiß, dass die Kids ihn nicht erkennen; auch ihm ist aufgefallen, dass der Altersdurchschnitt drastisch gesunken ist, immer jüngere Kids dealen auf der Straße, werden die neuen Fußsoldaten. Und jetzt tauchen auch noch amerikanisch beeinflusste Namen auf: Old Trafford Cripz, Moss Side Bloods. Svensson hasst Computer, aber diese Kids benutzen ausnahmslos die neuesten elektronischen Geräte, filmen mit ihren Smartphones sexuelle Übergriffe, laden brutale Belästigungen auf YouTube hoch, verspotten und verhöhnen verstorbene Rivalen im Teenageralter auf deren Facebook-Seiten. Alle von ihnen kennen jedoch die Legende über Flows und Merlins Verhaftung 2001. Wie in einer Szene aus einem Tarantino-Film hingen sie gerade in ihren kugelsicheren Westen ab, umringt von einem Schwarm Gang-Mädels, Waffen und Munition einschließlich einer Skorpion-Maschinenpistole. Sie hatten sich sogar die Taschen ihrer Jeans umarbeiten lassen, um sie als Holster zu benutzen. Für die Kids sind sie so etwas wie Helden. Als später die Polizeifotos von Flow und Merlin veröffentlicht wurden, behaupteten Leute, mit ihnen verwandt zu sein. Flow und Merlin können sich mit ihrem Waffenarsenal brüsten, aber Svensson lächelt, wenn er diese Geschichte hört. Es war ein anonymer Hinweis, der zu ihrer Festnahme führte. »Haben nie herausgefunden, wer dieser anonyme Anrufer war«, denkt er und grinst.
Am 9. September 2006, einem Samstag, wird der fünfzehnjährige Jessie James im Broadfield Park ermordet. Die Stadt ist in Aufruhr. Nicht mal ein Bandenmitglied, aber brutal auf seinem Fahrrad abgeknallt. Jeder Cop will diesen Fall unbedingt aufklären, und eine Sondereinheit der Polizei sucht rund um die Uhr nach dem Mörder. Es ist der vierte Mord durch Erschießen in diesem Jahr. Die Polizei steht unter Druck, sie braucht einen neuen Ansatz. Jede Menge schlechte Presse. XCalibre, die neue Sondereinheit gegen Bandenkriminalität, wurde im Oktober 2004 gegründet, und man holt Svensson mit seinem umfangreichen Informanten-Netzwerk dazu. Der öffentliche Druck lässt nicht nach. Jeden Monat bringen die Zeitungen ein Foto des Jungen, erwähnen seine schulischen Leistungen. In Svenssons Einheit tragen alle jeden Tag schwarze kugelsichere Westen über den T-Shirts, hängen am Telefon, zerknüllte, fettige Kartons auf den Schreibtischen.
Svensson sucht den Park ab. Es ist ein kleines, dunkles, menschenleeres Quadrat mit dicken hohen Bäumen im Schatten eines Fitnessstudios, in dem Gangmitglieder trainieren. Sein Blick streift den Rand des Parks. Niemand da. Was genau ist hier eigentlich passiert? Er dreht das Lenkrad, und sein unauffälliger, aber hochmotorisierter Wagen schiebt sich langsam und mit ausgeschalteten Scheinwerfern durch eine schmale Öffnung im Zaun in den Park. Zweige knacken unter den Reifen, während er den Fußweg
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