The Hood
entlang in die Parkmitte rollt. Er hält an in der Nähe der Stelle, wo der Junge erschossen wurde. Ein dunkler, einsamer Ort zum Sterben. Bei Anbruch des nächsten Tages herrschte hier das reinste Chaos. Beamte der Spurensicherung in weißen Schutzanzügen suchten den Tatort ab. Blauweiß gestreiftes Absperrband flatterte von Baum zu Baum. Dann der Medienrummel. Kamerateams und unrasierte Reporter in langen Mänteln kampierten vor der Tür der Familie. Die arme Mutter war praktisch in ihrem eigenen Haus eingesperrt. Inmitten der Vorbereitungen zu einer öffentlichen Trauerfeier, zwischen den Interviews und Presseerklärungen, auf der Suche nach etwas Raum für ihre Trauer.
Jetzt späht Svensson durch seine Windschutzscheibe in die Dunkelheit. Niemand weiß, dass sein Auto dort ist, die schwarze Silhouette verschmilzt mit den Bäumen. Er versucht sich die Szene in jener Nacht vorzustellen. Hinter einem Hügel steht eine niedrige Mauer, fast schon eine militärische Deckung für einen dahinter kauernden Schützen. Aus dem Bericht der Ballistiker geht hervor, dass der Täter am Anfang dort gestanden hat. Er ruft dem Kid aus der Deckung hinter der Mauer etwas zu. Der Junge nähert sich vorsichtig. Kennt er den Mörder, oder reagiert er auf irgendeine höhnische Bemerkung? Es ist deutlich nach Mitternacht, keine gute Zeit für Teenager, um noch auf dem Fahrrad unterwegs zu sein. Als er hinradelt, wird drei Mal mit einer halbautomatischen Handfeuerwaffe auf ihn geschossen. Ein Zeuge sagte aus, er habe sich wegbewegende Mündungsblitze gesehen, so als hätte der Mörder wie ein zurückweichender Soldat aus dem Laufen heraus geschossen. Sein Ziel traf er trotzdem. Womit er eine Stufe über den meisten Kids dort draußen steht. Die schießen sich auch im Stehen noch selbst in den Fuß. Falls sie je eine Mac-10 benutzen, dann ist das eher wie bei einem Hochdruckschlauch, der die ganze Umgebung vollspritzt. Der Schütze wusste genau, was er tat. Dann ist da noch die Sache mit dem letzten Schuss. Jemand stand über Jessie, als er bereits verletzt auf dem Boden lag, und schoss ihm in die Brust. Wer macht so etwas mit einem fünfzehnjährigen Kind? Dieser Mann war ein eiskalter Killer. Svensson starrt hinaus, während der Wind das dichte Laub peitscht.
Jessie war unschuldig. Seine Mutter bestreitet jede Verbindung zu seinem älteren Bruder Elmo, der wegen Raubüberfall und Besitz der Nachbildung einer echten Schusswaffe sieben Jahre absitzt. Svensson hat ihn im Gefängnis aufgesucht und befragt. Elmo schüttelte den Kopf und hielt eine Moralpredigt.
»Ich bin keiner von den Typen, die durch die Gegend rennen und Leute mit Schusswaffen bedrohen.«
»Weswegen wurdest du verurteilt, Elmo?«, fragte Svensson ruhig.
»Raubüberfall.«
»Und womit hast du das Opfer bedroht?«
»Mit einer Kanone.«
»Okay, dann bist du einer dieser Typen, die Leute mit Schusswaffen bedrohen«, sagte er. Elmo sah ihn finster an.
»Seien Sie nachsichtig mit Elmo«, sagt später ein anderer Beamter zu Svensson. »Er gehört zu Jessies Familie. Er ist ein Opfer.«
»Er ist ein Krimineller, der mit Waffengewalt arbeitet. Genau das ist er.«
Svensson wendet den Wagen und verlässt den Park wieder durch den Zaun. Er fährt weiter Richtung Fallowfield, kommt an einer Gruppe Kids vorbei. Auf ihre schwarzen T-Shirts sind RIP und ein Foto des kürzlich ermordeten Teenagers gedruckt. Dieser Trend stört ihn. Es ist Mode, sich für diesen Lebensstil zu entscheiden, Mitglied einer Gang zu werden. Die meisten dieser Kids kennen den Jungen wahrscheinlich nicht einmal. Er bremst ab, bis sie auf einer Höhe mit seiner Seitenscheibe sind.
»Ihr seid Kumpel von ihm?«, ruft Svensson ihnen zu.
»Kannten ihn von früher«, antwortet einer großspurig und schnipst mit den Fingern.
»Früher, ja? Gottverdammt, er war erst fünfzehn, als er starb.«
Svensson beendet seine Schicht, stellt den Mietwagen der Polizei ab. Er gibt den Code ein, und die schweren Metallstangen öffnen sich langsam. Er rennt die Treppen hinauf, durch Pendeltüren, tippt an einer Tür einen weiteren Code ein. Die abgenutzte Beschriftung auf dem Tastenfeld formt ein L. Das Büro ist menschenleer. Es riecht nach Schweiß. Auf einem Schreibtisch ein Muffin in der Verpackung einer Supermarkt-Kette. Kugelsichere Westen hängen über Stuhllehnen. Die Gangmitglieder starren unheilverkündend von der Fotowand auf ihn herab.
Er quält sich mit seinem täglichen Bericht ab. Svensson ist kein Fan
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