The Hood
von all dem Schreibkram, den der Job ihm heute abverlangt, auch nicht von all den Computern: Jetzt kann er nicht mal mehr eine Aussage aufnehmen ohne vorherige Schulung auf dem neuesten IT-System.
Als er sich endlich auf den Heimweg macht, ist es bereits halb drei morgens. Er muss die Kriminellen aus dem Kopf bekommen, also holt er sich ein Bier aus dem Kühlschrank und blättert in einem alten Automagazin. Eines Tages kaufe ich mir einen Caterham, denkt er. Dann zieht er die Schuhe aus und geht nach oben, duscht und kriecht leise ins Bett neben seine Frau. Sie schläft bereits, hat sich von ihm fort zur Wand gedreht. Sie trägt den silbernen Unterrock aus Seide, den er ihr vor einigen Jahren zum Geburtstag gekauft hatte. Ihre Haare fallen ihr ins Gesicht, das unter der Bettdecke vergraben liegt. Svenssons Kreuz schmerzt stark, als er sich neben sie legt.
Er träumt. Er nähert sich einem Glaskasten. Schwarze Stahlstangen durchziehen das Glas wie eine Zelle. Darin befindet sich ein bewaffneter Mann. Als er näher kommt, erkennt er Flow. Er hat eine Waffe auf eine am Boden liegende Person gerichtet. Er bedroht diese Person. Svensson ist draußen und versucht, in den Glaskasten hineinzugelangen. Er versucht, das Glas einzuschlagen, aber es zerbricht nicht. Flow sieht ihn nicht einmal an. Er macht einfach weiter. Svensson schlägt fester gegen die Seite des Kastens. Wer immer dort liegt, er ist tot.
Er schreckt aus dem Schlaf auf. Sein Herz rast, und das einzige Geräusch im Zimmer ist das tiefe, gleichmäßige Atmen seiner Frau. Er wirft einen Blick auf die Uhr auf dem Nachttisch. Es ist halb sechs morgens. Er hört, wie draußen ein scharfer Wind an den Bäumen rüttelt. Seit Flow auf der Flucht ist, träumt Svensson immer wieder dasselbe. Der Traum wiederholt sich. Er kommt nicht an Flow heran. Es ist eine ständige Enttäuschung. Er steht auf und geht nach unten, setzt sich an den Tisch und blättert in einem Schulaufsatz über Helden, den seiner Tochter geschrieben hat. Er rechnet damit, dass es um irgendeinen Teenie-Popstar oder um Miley Cyrus geht, aber der Titel lautet: »Mein Dad«.
Während er die Worte anstarrt, bemerkt er das Zittern seiner Hand. Er beobachtet, wie das Blatt vor seinen Augen flimmert, und begreift, dass er unbedingt herunterschalten muss. Auf dem Revier ziehen sie ihn schon damit auf, dass diese zwei, Merlin und Flow, für ihn zur Obsession geworden sind. Ganz besonders Flow. Er wird nicht mehr vernünftig schlafen können, bis Flow wieder im Gefängnis ist. Svensson arbeitete von 1997 bis ’99 an Mordfällen, in denen Flow als Tatverdächtiger galt. Er wurde zum Verhör vorgeladen. Ein Opfer war durch einen Kopfschuss aus nächster Nähe quasi hingerichtet worden. Man musste Flow aus Mangel an Beweisen wieder laufenlassen. Der Mörder wurde nie gefunden. Es macht Svensson wütend, dass der Mann immer noch frei herumläuft. Er würde keine Ruhe finden, solange er dort draußen ist und tut, was er tut. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann er das nächste Mal mordet.
Am folgenden Tag fährt Svensson auf der Stadtumgehung in den Südosten von Manchester. Er biegt ab und fährt weiter, bis er Kimberley außerhalb von Nottingham erreicht. Verglichen mit der Alexandra Park Estate ist dies eine reiche Gegend. Wie Didsbury. Er parkt gegenüber von Reihenhäusern, überquert die Straße und klingelt. Eine hübsche blonde Frau öffnet die Tür. Ohne zu lächeln, nickt sie ihm zu. Im Haus sitzen zwei kleine Mädchen vor dem Fernseher.
»Hallo, Kerry«, sagte Svensson.
»Er ist nicht hier gewesen«, antwortet sie seufzend.
Svensson hebt eine Augenbraue, bietet ihr eine Zigarette an. Kerry ist kein normales Gang-Mädchen. Sie kannte Flow schon, als sie noch kleine Kinder waren. Sie stand neben Flows Bruder Dean, als der ermordet wurde. Kerry sagte als Zeugin aus, mit Flows Erlaubnis, und wurde mit neuer Identität nach Kimberley umgesiedelt. Sie tut ihm leid, denn sie liebt Flow wirklich. Sie ist keines dieser Mädchen, die alles super verlockend und aufregend finden, die aus anständigen Familien kommen, die in eigenen Häusern in Stockport wohnen.
»Hör zu, hast du ihn gesehen oder hast du ihn nicht gesehen?«
»Versuchen Sie’s doch mal bei seinen anderen verfickten Weibern. Gehen Sie zu dieser Sonia.«
Er geht ein bisschen fremd. Nicht viel. Es gibt da ein Mädchen, bei dem er manchmal schläft. Ansonsten behandelt er Kerry nicht schlecht, schlägt sie nie, bedroht sie nie. Er ist nur
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