The Hood
du uns was zu essen besorgen?«, sagt Flow. »Ich hab Geld in meinen beschlagnahmten Klamotten. Das Essen hier ist scheiße.«
»Was hättest du denn gern?«
»Käseauflauf mit Zwiebeln und Fritten dazu.«
Die beiden Männer essen zusammen in der Zelle. Svensson hatte schon besseren Käseauflauf, aber schlecht ist er auch nicht. Sie plaudern über Belanglosigkeiten. Es ist nicht so, dass Flow irgendwas rausrutscht, Svensson unterschätzt ihn nicht. Für so etwas ist er viel zu ausgeschlafen. Sie kennen sich seit über dreizehn Jahren. Sie kennen sich ewig.
4:
Prozess
Merlin und Flow werfen so lange Schatten über die Unterwelt von Manchester, dass sich jeder Sorgen macht, die Geschworenen könnten eingeschüchtert werden. Die Zeugen haben Angst. Angesichts der Mauer aus Schweigen ist es schon fast unglaublich, dass sie sich überhaupt gemeldet haben. Sie benutzen die neueste Spitzentechnologie zur Verzerrung der Stimme, so dass Merlin nicht mal das Geschlecht erkennen kann. Zehnjährige Kids aus Manchester sagen schon die Namen der Gooch auf, bevor sie auch nur eine historische Figur benennen können. Also wird der Prozess in den Liverpool Crown Court verlegt.
Svensson sitzt mit den Angehörigen der Toten im Zuschauerraum. Er starrt quer durch den Gerichtssaal zu den Angeklagten.
Merlin verhöhnt die Familien der Opfer. Er könnte ein paar Schritte durch den Gerichtssaal gehen und wäre nur noch eine Armeslänge entfernt. Seine Crew ist aufgeputscht: Sie strecken ihre Brust raus, beschimpfen den Richter wegen der Ungerechtigkeit dieses Verfahrens. Sie feixen. Sie erzählen sich einen derben Witz. Sie sehen, wie Kyles Mutter den Kopf hängen lässt, und sie lachen. Merlin tritt sehr arrogant auf und scheint seine Bühne zu lieben. Er ist kein Fremder in einem Gerichtssaal. Seine Antworten ertönen trotzig und herausfordernd. Das Beweismaterial gegen ihn ist vernichtend.
Erheblich erschreckender ist für Svensson aber Flows Auftreten. Er starrt einfach nur ruhig geradeaus. Seine Verteidigung hängt von der Behauptung ab, er sei in keinem der Autos gewesen. Er wirkt, als ginge ihn das ganze Verfahren eigentlich gar nichts an, als ob die Geschworenen getrost vergessen könnten, dass er überhaupt da ist. Doch in seinem Schweigen erkennt Svensson die eiskalte Ruhe eines Killers. Es macht ihn nervös. Manchmal fängt Flow Talithas Blick auf oder schaut zu Svensson herüber. Aber nie zeigt sich eine Gefühlsregung auf seinem Gesicht. Es ist eine gespenstische Vorstellung, dass er, Talitha und Kyle früher zusammen auf der Straße gespielt haben, als sie noch kleine Kinder waren.
Svensson hört, dass ein verdammt guter Strafverteidiger die Anklage übernehmen soll. Er hat große Hoffnungen, aber es könnte passieren, dass das Beweismaterial nicht ausreicht. Flow bleibt seine größte Sorge.
Das Duo wird wegen zweifacher Verabredung zum Mord angeklagt; das Strafmaß könnte, so sie denn verurteilt werden, dreißig Jahre Gefängnis lauten. Beim ersten Anklagepunkt geht es um Antoine. Beim zweiten um den Mord an Kyle, sechs Wochen später. Als die Verhandlung zur Mittagspause unterbrochen wird, isst Svensson mit Kyles Familie. Das Gesprächsthema wechselt von Kyle zu den Leuten, mit denen er abgehangen hat. Svensson beschützt sie und genießt ihre Gesellschaft, aber je mehr sie sich entspannen, desto mehr ist er sich bewusst, dass ihr ganzer Klatsch und Tratsch erstklassige Informationen für ihn sind. Wie üblich tut er so, als wisse er weniger, als tatsächlich der Fall ist, hebt seine Augenbrauen, bis sie sich gegenseitig nahezu mit Informationshäppchen überbieten. Mit Kyles Schwester Kemi kommt er gut klar, aber weiterhin ist er fasziniert von Talitha. Kyles Mutter sieht älter aus. Sie scheint irgendwie geschrumpft zu sein. Talitha drückt ihr die Hand, als sie sich neben sie setzt und versucht, für ihre Mum stark zu sein.
Jetzt hat sie zwei Brüder bei Schießereien im Gang-Milieu verloren. Es ist schlimm genug, einen zu verlieren. Als Kyle starb, hat es sich angefühlt, wie von einem Zug überfahren zu werden. Sie spürte einen Druck in der Brust, und jeder Tag verlor seine Farbe. Nun hat sie die Männer vor Augen, die ihn erschossen haben, die Witze reißen, sie sind so kackfrech und arrogant, als hätten sie bereits ihr ganzes Leben in einem Gerichtssaal zugebracht.
Svensson hat mit so vielen Mädchen zu tun, die tief ins Gang-Leben verstrickt sind, dass er darauf brennt zu erfahren, wie Talitha es
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