The Hood
ging, pfiff ihm einer der Youngers bewundernd nach.
»Wo hast du die her?«, fragte sein Vater und schielte über den Rand seiner Brille. »Wo du doch nirgends arbeiten gehst.«
»Hab ich vom Taschengeld gekauft«, erwiderte er achselzuckend. Sein Vater setzte die Brille ab und starrte ihn an.
»Wie zum Teufel schaffst du es, Turnschuhe für 100 Pfund das Paar von 5 Pfund die Woche zu kaufen?«
Das nächste Mal kam er mit einer neuen Jacke nach Hause. Sein Vater sagte nichts. Er trank seinen Tee und warf schweigend einen müden Blick auf die Nähte und den Designerschnitt. Er zog eine Augenbraue hoch, um zu zeigen, dass er genau wusste, diese Jacke stammte nicht von TK Maxx. Aber er hörte auf, Fragen zu stellen. Pilgrim war bereits ein junger Stier. Sein Vater besaß nicht mehr die Kraft, ihn aufzuhalten. Er verhängte Hausarrest, um ihn zu bezwingen. Aber Pilgrim schlich sich einfach aus dem Haus. Am Ende der Straße wartete Sweet auf ihn, stets zuverlässig, immer interessiert an der weiteren Entwicklung des Jungen. Pilgrim fing an, über Nacht wegzubleiben. Er steckte die Schläge ein und kam erst sonntags wieder nach Hause. Nach einer Weile begann sein Vater, die Polizei anzurufen und ihn als vermisst zu melden. Da draußen sind viele schwierige Kids unterwegs, sagte die Polizei, wir geben uns alle Mühe, sie stets im Auge zu behalten.
»Ruf einfach an und lass uns wissen, dass es dir gutgeht und was du machst«, sagte sein Vater. Seine Haut war ledrig und runzlig. »Wir können dich nicht kontrollieren. Eines Tages wirst du deine Lektion lernen.«
Als Pilgrim fünfzehn war, wurde sein Stiefbruder siebzehn. Auch er veränderte sich. Als Pilgrim einmal zu ihm in sein Zimmer ging, da hatte er Tüten voller Geld und in anderen lagen Beutel mit Crack.
»Du bringst diese Scheiße mit nach Hause, Bro?«, flüsterte Pilgrim erstaunt.
»Was geht’s dich an?«, fauchte sein Bruder zurück. »Kleiner Gangster-Bruder.«
Sein Bruder war ihm immer wie ein kleiner Streber voller großer Pläne vorgekommen. Seine Mum wollte nicht, dass er sich auf der anderen Seite der Siedlung aufhielt. Doch er schlich sich raus. Er steckte alles, was er besaß, in seinen Drogenhandel und machte damit viel Geld. Jeder, der ihm blöd kam, wusste, dass Pilgrim rauskommen und ihm helfen würde.
Pilgrim besuchte dann die weiterführende Schule Hackney Downs. Eine Menge der Kids dort landete später im Gefängnis oder auf der Straße. Die Gemeindeverwaltung ließ Hackney Downs jahrelang vergammeln, bis sie sich schließlich für nichts mehr interessierten. Lehrer bleiben nie lange, die Kids erschienen nicht zum Unterricht, und die Schulgebäude zerfielen. 1995 wurde die Schule dann geschlossen, das komplette Kollegium wurde entlassen. Anschließend wurden rund zweihundert schwierige Kids, die bereits von anderen Schulen geflogen waren und nur gebrochen Englisch sprachen, auf eine andere Schule in Hackney abgeschoben. Der Gemeindeverwaltung war es vollkommen egal, ob es zu einem Blutbad kam. Als die Kids a us der Hackney Downs eintrafen, war es der reinste Alptraum. Die Kämpfe endeten tödlich. Pilgrim sah, wie Leute abgestochen, wie Lehrern Mobiltelefone und Taschen gestohlen wurden.
Es war in der achten oder siebten Klasse. Pilgrim war mit seinen Freunden auf dem Weg in die Pause. Sie kamen an einem Klassenraum vorbei, dessen Tür offen stand. Sie warfen einen Blick hinein und sahen ein paar der Problemkids aus der Hackney Downs. Dann hörte er jemanden aufschreien.
»Hört auf!«
Eine Frauenstimme. Sie linsten um die Tür. Die Meute umringte eine Lehrerin. Sie war so um die dreißig. Sie drückten sie nieder. Einer hatte ihr seine Jacke über den Kopf gelegt. Sie befummelten sie, ließen Hände über ihre Brüste und Schenkel gleiten.
»Verpisst euch!«
Pilgrim verspürte eine schmerzhafte Furcht zwischen den Rippen. Er und seine Freunde waren noch sehr jung. Sie hatten draußen auf der Straße schon einiges gesehen, aber es war das erste Mal, dass sie so etwas mitbekamen. Was sie in diesem Klassenzimmer sahen, vergaßen sie nie wieder. Sie treffen sich nicht besonders oft, weil sie so ziemlich alle im Knast sitzen. Aber wenn doch, dann sagen sie: »Weißt du noch, das eine Mal in der Schule, als wir gesehen haben, wie die über die Lehrerin hergefallen sind?«
Jeder erinnert sich daran. Es verfolgt sie. Die Kids wurden nie dafür bestraft.
Als die beiden Schulen zusammengelegt wurden, gab es jeden Tag ab drei Uhr Kämpfe.
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