The Legion 01 - Der Kreis der Fuenf
zu fahren, also bog ich in die nächste Seitenstraße ein, die mich zur Stadtbücherei führte.
Um halb zehn Uhr morgens war der Parkplatz dort so gut wie leer. Vielleicht gelang es mir, ein wenig Schlaf zu bekommen. Ich verriegelte die Türen, weil ich das Gefühl nicht loswurde, dass ich von jemandem oder etwas verfolgt wurde.
In Gedanken versuchte ich noch einmal nachzuvollziehen, was sich in meinem Zimmer abgespielt hatte, doch das Geistermädchen und die Waffe und die Stimmen, das alles schwirrte so verworren durch meinen Kopf wie ein völlig verheddertes Knäuel Wolle. Nur noch bruchstückartig erinnerte ich mich an das Gespräch mit Jared und Lukas.
Irgendwas von wegen zornigen Geistern? Nein – Rachegeister. So haben sie sich ausgedrückt.
Zwei Mädchen, die riesige Bücherstapel auf ihren Armen balancierten, liefen an meinem Auto vorbei. Kurzentschlossen stieg ich aus dem Wagen und folgte ihnen in die Bibliothek. Ich hatte tausend Fragen, und dies hier war ein guter Ort, um ein paar Antworten darauf zu bekommen.
Ich fand einen freien Computerplatz und gab Rachegeister ins Suchfeld ein. Dann scrollte ich seitenweise durch Einträge und las diejenigen, die mir am seriösesten und am wenigsten abgespaced erschienen. Bei der Definition waren sich alle parapsychologischen Forscher einig: heimtückische Geister, die die Lebenden heimsuchen oder ihnen Schaden zufügen wollen; meist selbst Opfer von Mord, Gewalt oder Suizid; Geister, denen nicht immer bewusst ist, dass sie tot sind.
Anscheinend waren Lukas und Jared nicht die Einzigen, die so ein Zeug glaubten.
Es gab Hunderte von Seiten, die sich mit paranormaler Aktivität beschäftigten. Genau genommen hatte ich in meinem Zimmer sogar mehr mit eigenen Augen gesehen als die meisten dieser selbsternannten Wissenschaftler in ihrem ganzen Leben – und dennoch erschien es mir irreal.
Etwas über Grabspringen zu finden gestaltete sich schon schwieriger. Je nach Website wurde dieses Phänomen dem Reich der Mythen, des Aberglaubens oder der modernen Legenden zugeschlagen. In manchen Einträgen wurde sogar behauptet, dass – wenn man über ein frisches Grab lief – der Geist herausspringen und einen in einen Vampir verwandeln könne. Andere bestätigten Jareds Version, in der der Geist in den Körper eines Menschen oder Tieres fuhr. Es hörte sich lächerlich an, doch ich würde in nächster Zeit bestimmt über kein Grab mehr trampeln.
Allerdings beantwortete das Internet nicht all meine Fragen. Ich musste herausbekommen, wer Lukas und Jared Lockhart waren und was sie um fünf Uhr morgens in meinem Viertel verloren hatten. Noch dazu mit einem Gewehr, das mit Salz geladen war.
Aber zuerst musste ich sie ausfindig machen.
Bei einer allgemeinen Suche nach ihren Namen landete ich auf Seiten über einen toten Dichter, ein deutsches Familienwappen und den Drummer einer Punkband. Vielleicht hatte ich sie falsch geschrieben. Ich hätte sie bitten sollen, mir ihre Namen auf einem Zettel zu hinterlassen, bevor ich sie aus dem Haus gejagt hatte.
» Kann ich irgendwie helfen? «
Als ich mich umdrehte, stand eine junge Bibliothekarin mit eifriger Miene hinter mir.
» Ähm, gibt es vielleicht eine Möglichkeit rauszukriegen, ob jemand auf eine der Highschools hier in der Nähe geht? «
» Nicht im Netz. Aber versuchen Sie’s mal im Archiv. «
» Was ist da? «
» Jahrbücher. «
Ich verließ meinen Computerplatz und folgte der Bibliothekarin, die mich an den Regalen entlang in den hinteren Teil der Bibliothek führte. Dort sperrte sie die Tür des Archivs für mich auf, wo staubige Jahrbücher der staatlichen Schulen in Reih und Glied auf noch staubigeren Regalen standen. » Sagen Sie einfach Bescheid, wenn Sie Hilfe brauchen. «
» Danke. «
Ich ließ den Zeigefinger über die Reihen von Lederbänden mit geschmacklosen Silber- und Goldlettern gleiten und versuchte abzuschätzen, wie lange es wohl dauern würde, sie alle durchzugehen. Lukas und Jared sahen ungefähr so alt aus wie ich, oder vielleicht ein wenig älter, also nahm ich mir als Erstes die vom letzten Jahr vor.
Mein Handy klingelte und Elles Name erschien im Display.
Ich gab mir Mühe, mürrisch und verschlafen zu klingen, so wie sonst auch, wenn sie um diese Uhrzeit anrief. » Hey. «
» Ich sterbe vor Hunger. Sollen wir frühstücken gehen? « Der Klang ihrer Stimme ließ die letzten sechs Stunden völlig surreal erscheinen.
» Ich muss immer noch tonnenweise Zeug packen. « Ich unterdrückte
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