The Legion 01 - Der Kreis der Fuenf
den Drang, ihr alles zu erzählen. Auch wenn ich wusste, dass sie mir glauben würde – was ich nicht einmal selbst tat –, würde das unweigerlich ein persönliches Gespräch nach sich ziehen. » Treffen wir uns lieber, wenn ich fertig bin. «
Dann berichte ich dir vielleicht auch von dem Geist, der mich umbringen wollte.
» Du vergisst, dass ich bis heute Abend um neun Theaterprobe habe. Die kann ich nicht schon wieder sausen lassen, sonst reißt sich meine Zweitbesetzung meine Rolle noch komplett unter den Nagel. « Elle hatte eine Hauptrolle im Schulmusical ergattert und entwickelte eine ungesunde Paranoia, was ihre Zweitbesetzung anging. » Komm doch einfach mit, dann kannst du dir selbst ein Bild von dem Mist machen. «
» Klingt verlockend, aber ich passe. Dann treffen wir uns also heute Abend um halb zehn bei dir. «
Elle zögerte. » Du hörst dich komisch an. Ist alles okay? «
Alles ist komplett daneben und durcheinander und meilenweit entfernt von okay.
Ich holte tief Luft. » Ja, mir geht’s gut. «
» Komm nicht zu spät. Es ist deine letzte Nacht. « Sie legte auf, ehe ich Tschüss sagen konnte.
Ich griff nach einem schmuddeligen Jahrbuch ganz oben im Regal und überflog die Seiten über Football und Anwärterinnen auf die Ballkönigin, bis ich auf die Klassenfotos stieß.
Zwillinge sollten leicht zu finden sein.
Wenn ich herausbekam, wo Jared und Lukas zur Schule gingen, konnte ich möglicherweise eine E-Mail-Adresse oder eine Telefonnummer rückverfolgen. Es war reine Spekulation, aber ich musste etwas tun – um eine Situation unter Kontrolle zu bekommen, die sich komplett jeglicher Kontrolle entzog.
Als ich den letzten knittrigen Ledereinband zuklappte, wurde es draußen bereits dunkel, und ich war kein bisschen schlauer als zuvor, was Lukas und Jared Lockhart anging.
Eigentlich sollte ich zu Hause sein und packen. Morgen früh würde mich ein Taxi zum Flughafen bringen – eine Tatsache, mit der ich meinen Frieden gemacht hatte, ehe ich herausgefunden hatte, was wirklich mit meiner Mutter geschehen war.
Ich parkte vor unserem Haus und ließ den Motor laufen, während ich den letzten Liedzeilen von The Cures Inbetween Days lauschte. Genauso fühlte sich mein Leben gerade an. Ich war gefangen zwischen den Tagen, bevor meine Welt auseinandergefallen war, und den jetzigen.
Als ich aus dem Wagen stieg, wurde mein Hals plötzlich ganz trocken.
Trotz der fröhlichen hellgrünen Tür und den in Form geschnittenen Buchsbäumen, die den Fußweg säumten, war alles, was ich beim Anblick meines Hauses vor Augen hatte, das tote Mädchen in meinem Zimmer.
Gab es noch andere Geister im Haus? Konnten sie mir etwas anhaben, solange ich wach war?
Ich wandte mich ab und versuchte, all meinen Mut zusammenzunehmen, um es zu betreten.
Ein schwarzer Van parkte in der Gegenrichtung auf der anderen Straßenseite. Er sah aus wie so einer, in die Serienkiller immer ihre Opfer zerren, um sie zu verschleppen. Der Mann auf dem Fahrersitz merkte, dass ich ihn anstarrte, und wich schnell vom Fenster zurück.
Zum Auto eines Fremden zu gehen fühlte sich verrückt an, aber es waren massenhaft Studenten auf der Straße unterwegs. Nicht mal der totale Psycho würde mich vor Zeugen entführen. Mein Blick streifte kurz das Nummernschild – nur für den Fall: AL -0381.
Meine Knie waren wie aus Gummi, als ich an das Fenster der Fahrerseite klopfte.
Langsam fuhr es herunter.
Jared Lockhart starrte mich an. Er trug noch immer seine grüne Armeejacke.
Ich musste letzte Nacht extrem unter Schock gestanden haben, da ich mich nicht erinnern konnte, dass er dermaßen gut aussah. Strahlend blaue Augen und volle Lippen – und doch lauerte da in seinem Gesicht zugleich eine Wildheit, die wohl von dem einen oder anderen Kampf herrührte und durch die er sich vom Durchschnittsschönling abhob.
» Wie lange hängt ihr schon hier rum? « Ich konnte es nicht fassen, dass ich den halben Tag mit der Suche nach ihm und seinem Bruder verbracht hatte, und dabei saßen sie direkt vor meinem Haus.
Jared zuckte verlegen mit den Schultern. » Eine Weil e . «
Lukas lehnte sich auf dem Beifahrersitz vor und ließ eine Münze über seine Finger rollen. » Zum Glück freust du dich diesmal mehr, uns zu sehen. «
» Das mit letzter Nacht tut mir leid. Aber so was wie das habe ich noch nie erlebt. «
Lukas schenkte mir ein schiefes Lächeln. » Entschuldigung angenommen. Ich bin froh, dass wir gerade noch rechtzeitig gekommen sind.
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