The Legion 01 - Der Kreis der Fuenf
ironisch.
Priest lachte und schloss die Augen, auf den Ohren noch immer die Kopfhörer, während Jared sich auf der Couch ausstreckte. Es kam mir vor, als befände er sich auf der anderen Seite einer Grenze, die niemand überschreiten konnte.
Ich fragte mich, was mit Jared los war – wer ihm so wehgetan hatte. Seine Schutzmauern waren sogar noch höher als meine.
Alara schaltete das Licht aus, und ich lauschte der gedämpften Musik aus Priests Kopfhörern und dem Pling-Geräusch von Tetris und wünschte, ich könnte meine Gedanken ebenso leicht abstellen.
Ich lag auf einer Matratze in einem Lagerhaus mit vier anderen Leuten, die ich kaum kannte, – vier Leute, die mehr über mich zu wissen schienen als ich selbst. War es möglich, dass sie auch mehr über meine Mom wussten?
Meine Augen brannten, und ich spürte, wie die Tränen schon hinter ihnen lauerten, aber ich verbot mir zu weinen. Wenn ich erst mal damit anfing, dann konnte ich vielleicht nicht mehr aufhören.
Irgendwann verklangen die Musik und die Videospielgeräusche und Stille senkte sich über den Raum. Auf Zehenspitzen schlüpfte ich durch die Laken zur anderen Seite der Lagerhalle, wo sich in der Dunkelheit die Umrisse der Gewehrständer und Munitionsregale abzeichneten. Ein Beweis dafür, wie unvorbereitet ich auf alles war, was gerade mit mir geschah.
Im Moment war ich in Sicherheit, aber ich konnte nicht ewig hierbleiben.
Tränen liefen mir über die Wangen, noch ehe mir bewusst wurde, dass ich nun doch weinte.
Ich ließ mich neben Priests Werkbank auf den Boden sinken, vergrub mein Gesicht zwischen den Knien und weinte lautlos und unterdrückte die Schluchzer, bis mein Hals ganz wund war.
» Kennedy? « Jemand flüsterte meinen Namen.
Ich schlug mir die Hände vors Gesicht.
» Willst du darüber reden? « Es war Lukas oder Jared, doch seine Stimme war so leise, dass ich nicht sagen konnte, welcher von beiden. Ich schüttelte den Kopf, während meine Tränen durch die Ritzen zwischen meinen Fingern liefen.
Er setzte sich zu mir und seine Haut verströmte den Geruch von Salz und etwas Metallischem.
» Ich weiß, wie schwer das ist. Ich bin total durchgedreht, als mein Dad gestorben ist, und habe mich ständig gefragt, wie wir das alles ohne ihn schaffen sollen. « Er sprach langsam, mit sanfter, beruhigender Stimme.
Mir wurde klar, dass es Lukas war, der seine eigenen schmerzlichen Erfahrungen mit mir teilte, um mir beizustehen.
» Ich wünschte, ich könnte es rückgängig machen. « Er zögerte. » Ich meine, die Dinge ändern. «
Ich holte bebend Luft und er berührte mich behutsam am Rücken.
» Willst du mich nicht anschauen, hm? «
Ich schüttelte den Kopf. Ich konnte nicht aufhören zu weinen und wollte nicht, dass er mich derart verzweifelt sah.
» Schon kapiert « , wisperte er so dicht bei mir, dass ich seinen Atem im Nacken spüren konnte. » Ich glaube, ohne Luke hätte ich das alles nicht gepackt. «
Ich erstarrte.
Es war gar nicht Lukas’ Hand, die auf meinem Rücken lag.
Es war die von Jared, dem Jungen, der kaum etwas sprach, der mir so distanziert vorkam.
Keine Ahnung, wie lange wir so dasaßen. Irgendwann hatte ich keine Tränen mehr und Jared nahm mich an der Hand und führte mich durch die Lagerhalle. Ich schlüpfte wieder ins Bett und er verzog sich ohne ein weiteres Wort auf die Couch. Doch ich konnte noch immer das Salz auf seiner Haut riechen.
Kapitel 11
Ophthalmischer W andler
Als ich aufwachte, waren Lukas, Jared und Alara wieder über die Karte gebeugt. Nachdem wir eine Stunde lang Zeitungsartikel nach außergewöhnlichen Wetterphänomenen und merkwürdigen Berichten über unerklärliche Vorkommnisse durchforstet hatten, hatte ich einiges über Häufungen und paranormale Aktivität dazugelernt. Außerdem hatte ich im Kopf Hunderte von Schnappschüssen gemacht – von verwahrlosten Häusern über grauenhafte Schauplätze von Verbrechen bis hin zu Gebrauchtwagenanzeigen – allesamt automatisch klassifiziert und katalogisiert.
Mit dieser Datenflut zum Thema » das Innerste « im Kopf bot ich an, Priest eine Weile zu assistieren. Er war wild entschlossen, die ultimative Böse-Rachegeister-Jagdwaffe zu konstruieren, um alles über den Haufen zu schießen, was Andras noch für sie in petto hatte.
» Halt mal. « Priest drückte mir seinen Gasbrenner in die Hand.
» Ich glaube nicht, dass – «
» Da kann überhaupt nichts passieren. Außer du schaltest ihn ein. «
Als ob ich wüsste, wie das
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