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The Lost

Titel: The Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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offenen Innenhof des Motels, und einen Moment später wurde Rays Tür aufgestoßen. Er war stinksauer und zog sich gerade sein Hemd über; sein Haar war noch ungekämmt. Sie hatte ihn also geweckt. Prima.
    Sie fragte sich, wer bei ihm war. Wen hatte er sich diesmal ins Bett geholt? Die tolle Katherine? Sie wartete, bis er auf das Auto zukam, erst dann ließ sie die Hupe los.
    »Jennifer? Was soll der Scheiß?«
    Er sah grauenvoll aus. Blutunterlaufene Augen, verquollenes Gesicht.
    »Was der Scheiß soll? Ich sag dir, was der Scheiß soll. Woher, verdammt nochmal, nimmst du dir das Recht, mich zu benutzen und zu verarschen, wie es dir in den Kram passt? Wie kommst du bloß darauf, dass es ewig so weitergeht? Ich bin hier, um Schluss zu machen. Ich hab die Schnauze voll. Kapiert? Mir reicht’s! «
    Sie brüllte. Sie genoss es. Plötzlich fühlte sie sich fast schwerelos. Es sprudelte nur so aus ihr heraus. Das ganze Gift, sein Gift – sie stellte sich sogar die Farbe vor, grün, grün und gelb –, es schoss aus ihr heraus und klatschte zwischen ihnen auf den Asphalt wie ätzende Gallensäure.
    »Bist du verrückt? Würdest du mir bitteschön verraten, was eigentlich los ist?«
    »Du hast mich zum letzten Mal verarscht, Ray. Das ist los. Es ist aus. Kapiert? Das war’s mit uns. Ich lass mich nicht länger für dumm verkaufen. Weißt du was? Ich brauch dich nicht mehr, Ray. Ich weiß gar nicht, ob ich dich je gebraucht habe. Ich glaube, du warst für mich nur eine schlechte Angewohnheit. Hah! Und jetzt hab ich sie mir abgewöhnt. Ich bin jetzt Tims Freundin, du Arschloch! Er ist besser im Bett, als du es je sein wirst. Außerdem muss er seine Schuhe nicht mit Bierdosen ausstopfen, damit die Leute glauben, er hätte einen großen Schwanz. Also fick dich, Ray! Und deinen bescheuerten Glasring kannst du dir in den Arsch stecken!«
    Sie zog den Ring aus der Tasche, holte aus und schleuderte ihn Ray an den Kopf. Sie hörte, wie der Ring mit einem dumpfen Geräusch direkt über dem Auge von seiner Stirn abprallte und klirrend zu Boden fiel. Sie sah, wie Ray zusammenzuckte, wie dieser tolle Hecht, der Superhengst zusammenzuckte, nur weil ihn ein kleiner kaputter Ring an der Stirn getroffen hatte, und das war ein gutes Gefühl, so gut, dass sie lachen musste. Sie lachte ihn aus, lachte ihm ins Gesicht, und in diesem Moment war er für sie ein Nichts, ein absolutes Nichts. Zum ersten Mal seit sie denken konnte, war Ray ihr vollkommen gleichgültig, und sie spürte dies mit einer Gewissheit, die sie bisher nicht gekannt hatte.
    »Du kleine Schlampe!«
    Er stürzte sich auf sie und packte ihre Arme. Sein Atem stank nach Alkohol. Und dann schüttelte er sie. Es tat weh, aber das war ihr egal. Sollte er sie ruhig ohrfeigen, ihr mit der Faust ins Gesicht schlagen, sie zu Boden werfen und auf sie eintreten, das würde ihr nichts ausmachen. Er konnte ihr nichts mehr anhaben, konnte sie nicht mehr verletzen, nicht auf diese schmerzhafte Weise, wie er es all die Jahre getan hatte. Das lag jetzt alles plötzlich hinter ihr. Sie war fertig mit ihm und nicht anders herum, und als er die Faust hob, schaute sie ihm in die Augen und sah das Zögern in seinem Blick, sah einen Moment der Furcht und des Zweifels. Fast hätte sie erneut losgelacht, doch dann hörte sie plötzlich eine Stimme hinter sich.
    »Raymond!«
    Als sie merkte, wie er an ihr vorbei blickte, fuhr sie ebenfalls herum. Direkt hinter ihr stand seine Mutter.
    »Lass sie sofort los, Raymond.«
    Einen Moment lang glaubte sie, er würde sie trotz des kalten Befehlstons seiner Mutter schlagen, und sie machte sich darauf gefasst. Sie konnte das wegstecken. Egal wie kräftig er zuschlug. Und es war die Sache in jedem Fall wert. Dann ließ er die Faust sinken. Die Finger an ihrem Arm entspannten sich, lösten sich von ihr. Und als sie sich wieder zu ihm umdrehte, blickte sie in ein hochrotes Gesicht; seine Züge waren dermaßen verzerrt, dass sie glaubte, er hätte einen Schlaganfall.
    Ja, kipp um, dachte sie. Kratz ab.
    Du hast es verdient zu sterben.
    Und auch dieser Gedanke war neu für sie, doch sie wusste mit absoluter Gewissheit, dass er es verdient hatte.
    »Geh rein, Raymond. Wir reden später über die Sache. Jennifer, du steigst jetzt besser in dein Auto.«
    Sie atmete tief durch, nickte und kletterte hinters Lenkrad. Die Tür ließ sie offen. Durch die Windschutzscheibe konnte sie sehen, wie er sie wütend anfunkelte, dann wandte er sich ab und spuckte aus, und während

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