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The Lost

Titel: The Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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er zu seinem Apartment zurücklief, versuchte er, den harten Burschen zu markieren; er machte extra lange Schritte und hatte die Fäuste geballt, während das offene Hemd in der feuchten Brise flatterte. Dann schlug er die Tür hinter sich zu, und sie dachte, dass er einen verdammt komischen Gang hatte. Wirklich, es war lächerlich.
    Mrs. Pye beugte sich neben der offenen Wagentür zu ihr herunter.
    »Halt dich lieber eine Weile von ihm fern«, sagte sie.
    Sie nickte. »Am besten für immer.«
    Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie Rays Mutter noch nie von nahem gesehen hatte. Zumindest nicht so nahe wie jetzt. Sie war sonst immer auf dem Sprung oder hockte an der Rezeption. Sie war eine hübsche Frau. Ihre dunklen Augen standen dicht beieinander. Ihre Lippen waren extrem schmal, ihre schöne Haut hatte kaum Falten, die hübsche Nase war ein wenig zu groß, und das lange, ergrauende Haar hatte sie zu einem festen Knoten zurückgebunden.
    »Ich hasse es, wenn der Junge so aufbrausend ist. Ich frage mich, woher er das hat.«
    Ihre Augen glitzerten, wanderten hin und her, musterten sie.
    »Das weiß ich auch nicht«, sagte sie. Sie startete den Motor. »Danke, Mrs. Pye.«
    »Jane, Kleine. Nenn mich Jane.«
    »Danke … Jane.«
    Die Augen musterten sie erneut.
    »Fahr jetzt nach Hause«, sagte sie und blickte ihr nach, während der Wagen vom Parkplatz fuhr.

    Es war zwei Uhr nachmittags, als Katherine ihn erreichte. Zehn Uhr morgens in Kalifornien. Es klang, als hätte sie ihn geweckt.
    »Wo warst du letzte Nacht, Mister?«, fragte sie.
    »Frag nicht, dann muss ich mich nicht daran erinnern.«
    »Okay. Aber du klingst echt scheiße.«
    »Danke, Kath. Nett von dir.« Er gähnte. »Wie komme ich zu der Ehre?«
    Katherine erzählte ihm von dem Gespräch mit Ray.
    »Was meinst du, soll ich die Polizei einschalten?«
    »Weiß nicht, Kath. Was sollen die Bullen denn machen?«
    »Ihn festnehmen, zum Beispiel.«
    »Weswegen? Er hat dir ja nicht mal das Gewehr gezeigt. Dein Wort würde gegen seins stehen. Sie würden ihn verhören und wieder nach Hause schicken, und dann ist er richtig sauer auf dich.«
    »Wie wär’s mit Belästigung?«
    »Er hat dich nicht belästigt. Ihr habt euch am Telefon gestritten. Na und? Hast du wirklich Angst, Baby? Fürchtest du dich vor dem Typen?«
    »Weiß nicht.«
    »Soll ich zu dir rausfahren?«
    »Du meinst, herkommen?«
    »Klar. Ein großer Kerl auf ’ner Harley wie ich? Ich könnte mit dem Arschloch mal Klartext reden.«
    »Das würdest du für mich tun?«
    »Logisch. Ich würde nicht mal so weit fahren, um zu sehen, wie der Papst Lyndon B. Johnson ans Bein pinkelt, aber für dich würde ich an die Ostküste kommen.«
    Sie lachte. »Ich hab meinem Vater immer gesagt, du bist ein richtiger Romantiker. Aber er hat mir nie geglaubt.«
    »Das tun Väter nie.«
    »Pass auf«, sagte sie. »Falls noch was passiert, komme ich vielleicht auf dein Angebot zurück. Aber ich wart erst mal ein paar Tage ab.«
    »Okay, Baby. Pass gut auf dich auf, ja? Wenn er dir nochmal blöd kommt, ruf mich an.«
    »Mach ich, Deke. Danke.«
    »Keine Ursache. Bis bald.«
    Sie stellte sich vor, wie Deke auf seiner Harley an einer Ampel neben Rays Cabrio hielt. Wie Ray zu ihm rüberschaute. Deke seinen Blick erwiderte. Und der Harley-Motor aufheulte.
    Bei der Vorstellung konnte sie sich ein Lächeln nicht verkneifen. Und sofort ging es ihr ein bisschen besser.

    Die Katze sah, wie sich im Wald hinter Ed Andersons Garten ein Vogel auf den Ästen einer Ulme niederließ. Die Katze hatte zwar keinen Hunger, doch da sie den Vogel bemerkt hatte, nahm sie eine geduckte Jägerhaltung ein – Kopf und Schultern gesenkt, Hinterläufe angespannt – und schlich durchs Unterholz. Der Vogel, ein blauer, laut kreischender Eichelhäher, war ungewöhnlich leichtsinnig.
    Vielleicht hatte er einem Spatzen gerade das Futter abgejagt und war ebenfalls satt. Er kehrte der Katze den Rücken zu, seine langen blauen Schwanzfedern ragten über den Ast und wippten auf und ab. Für die Katze ein unwiderstehlicher Anblick.
    Als sie den Baum erreichte, richtete sie sich auf, spannte die Muskeln und schnellte in die Höhe. Es war ein Kinderspiel für sie, die Ulme hochzuklettern. Die Katze glich einem schwarzen Blitz, der zwischen den Ästen den Baumstamm hinaufschoss. Der Vogel war nur noch einen Sekundenbruchteil vom Tod entfernt, als er aus dem Augenwinkel eine heransausende Bewegung bemerkte, die quergestreiften Flügel ausbreitete und

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