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The Lost

Titel: The Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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aus dem Bad. Er stand im Flur und reinigte seine Zähne mit Zahnseide, eine seiner vielen Angewohnheiten, die sie verabscheute. Zahnseide benutzte man nicht in der Öffentlichkeit, auch nicht vor Familienangehörigen. Damit blieb man bitteschön im Bad.
    »Wer ist Ed?«, fragte er. »Und warum in aller Welt musst du nach Hopatcong fahren, um ein Steak zu essen? Es gibt doch ausgezeichnete Steaks bei uns im White Horse Grill. Außerdem kennen wir den Besitzer.«
    »Hast du mich etwa belauscht?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich bin an deinem Zimmer vorbeigekommen.«
    Sie hatte sich immer schon gefragt, wie er es im Immobiliengeschäft so weit gebracht hatte. Sie fand, er war ein lausiger Lügner. Es war jedoch absolut sinnlos, ihm das zu sagen.
    »Also. Wer ist Ed?«
    »Ein Mann, den ich kenne.«
    »Ein Mann, den du kennst? Und wie alt ist dieser Mann, wenn ich fragen darf?«
    Sie ahnte schon, worauf das hier hinauslief, und ihr schauderte bei der Vorstellung, dass er es bereits wusste. Wenn ja, musste sie damit leben. Für sie würde sich dadurch nichts ändern. Falls er aber einfach nur im Trüben fischte, würde sie ihm nicht auf die Sprünge helfen. Sie beschloss, das Gespräch zu beenden, bevor er richtig nachbohren konnte. Normalerweise konnte sie ihren Vater genauso leicht manipulieren wie ihre Mutter.
    Sie wollte gar nicht hören, was oder wie viel er wusste.
    Es war ihr egal.
    »Männer in meinem Alter sind keine Jungs mehr, Daddy. Versuch doch mal, ein bisschen mit der Zeit zu gehen, okay? Außerdem geht es dich nichts an. In knapp einem Monat verschwinde ich nach Boston aufs College. Willst du dann auch wissen, mit wem ich dort ausgehe?«
    »Vielleicht.«
    »Schön, ich habe auch in Zukunft keine Lust, mit dir über diese Dinge zu reden, genauso wenig wie jetzt. Außerdem habe ich Durst. Entschuldige mich bitte.«
    Sie ging an ihm vorbei und stieg die Treppe hinunter, ließ ihn mit der zwischen seinen Fingern herabbaumelnden Zahnseide stehen.
    »Und die Steaks im White Horse Grill sind grauenvoll.«

37
Die Katze
    Inzwischen dämmerte es bereits. Und mit Anbruch der Dunkelheit war ihr Verlangen, den Baum zu verlassen, stärker geworden als ihre Furcht. Ihr knurrte der Magen. Es gab nachtaktive Raubtiere, die sich auf Bäumen sehr viel besser zurechtfanden als sie.
    Sie beschloss, es auf der Seite zu versuchen, die sie hinaufgeklettert war. Wie bereits unzählige Male zuvor drückte sie die Vorderpfoten gegen die Rinde, vergrub die Krallen darin und tastete sich Stück für Stück nach unten. Als sie sich diesmal jedoch langmachte, zog sie die Krallen wieder ein und ließ sich fallen. Sie machte einen Buckel, hob den Kopf und senkte die Schultern, die Beine dem heransausenden Boden entgegengestreckt. Für einen kurzen Moment spürte sie einen plötzlichen Windhauch, sie lag perfekt in der Luft. Dann knallte sie auf den zerklüfteten Boden und jaulte schmerzerfüllt auf.
    Die Katze war starke Schmerzen gewohnt, aber das hier übertraf alles, was sie bisher erlebt hatte. Von ihrem rechten Vorderbein schoss ein dumpfes Pochen bis hinauf in die Schulter. Als sie die Pfote behutsam auf den Boden setzte, durchzuckte sie ein glühend heißer Schmerz, heftig wie ein Stromschlag, und ihr wurde so schwindlig, dass sie mit der Hüfte seitlich ins Gestrüpp fiel. Mühsam musste sie sich wieder aufrichten.
    Das rechte Vorderbein war nicht mehr zu gebrauchen.
    Sie wollte jetzt nur noch zu dem Haus zurück, in dem der Mann lebte und in dem es ein bequemes Plätzchen zum Ausruhen gab.
    Aber sie befand sich mitten im Wald.
    Auf drei Beinen humpelte sie Richtung Haus. Jeder Schritt tat ihr weh; es war eine Mischung aus jenem dumpfen, Pochen, das ihr durch und durch ging, und einer abgeschwächten Variante jenes stechenden Schmerzes, der sie ins Gestrüpp befördert hatte. Sie war jetzt nicht mehr hungrig, sondern durstig, während sie sich mühsam durchs Unterholz schleppte. Sie war nicht mehr ganz sie selbst, war nicht mehr die Katze wie zuvor.
    Irgendetwas fehlte.

38
Ray
    Schwarz.
    Ganz in Schwarz.
    Schwarzes, bis zum Hals zugeknöpftes Seidenhemd, enge schwarze Jeans, schmale schwarze Krawatte, glänzende schwarze Stiefel, am Zeigefinger der linken Hand ein Onyx in silberner Fassung.
    Er schaut in den Spiegel und erblickt einen stattlichen jungen Schwarzen Ritter, frisch geduscht und rasiert, die Zähne geputzt, das sorgsam frisierte Haar mit Haarspray fixiert. Er hat diesmal etwas mehr Eyeliner, Lidschatten und

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