The Lost
dem rot-grün blinkenden Leuchtschild über der Einfahrt des Drive-Ins, hinaus auf Spartas Straßen.
Lachend schüttelte er den Kopf und trommelte vergnügt auf das Lenkrad, weil er so unverschämtes Glück gehabt hatte.
Allmählich kehrte sein Hunger zurück.
Aber das musste warten.
Zusammengekauert, die Hüfte gegen den Ersatzreifen gepresst, lag sie im Dunkel des Kofferraums; an Händen, Brust, Haaren und Bluse klebte Toniannes Blut. Sie musste unablässig zittern und unkontrolliert blinzeln – ihre Lider waren ebenfalls völlig verklebt. Der Geruch von Abgasen und Gummi, von schmutzigem Metall und einem Hauch ihres eigenen Parfüms stieg ihr in die Nase. Sie hörte das Zischen der über die Fahrbahn rollenden Reifen und ein metallisches Klappern an der hinteren Wagentür, die sich, in unerreichbarer Ferne, hinter ihrem Rücken befand. Als das Auto in eine scharfe Kurve bog, stützte sie sich mit der rechten Hand am Kofferraumboden ab, und es blieb eine Art Verpackungspapier daran kleben, irgendetwas aus Zellophan. Angewidert schüttelte sie es ab, wie eine Spinne, die sie zerquetscht hatte, während diese ihr über die Handfläche gekrabbelt war.
Vor ihrem geistigen Auge lief immer wieder die Szene auf dem Parkplatz ab. Sie konnte nichts dagegen tun. Ihr fiel ein, wie Ed sie am Telefon für heute Abend eingeladen hatte. Wäre sie doch nur zu ihm gegangen. Dann wäre Tonianne, ihre beste Freundin, die sie seit Ewigkeiten kannte, noch am Leben, und sie selbst würde nicht in dieser dunklen rumpelnden Kiste liegen. Das alles wäre nicht passiert, denn Ed hätte sie beschützt. In Gedanken rief sie ihn herbei, damit er sie rettete, und zum ersten Mal im Leben wünschte sie, dass es so etwas wie Telepathie tatsächlich gab. Doch während unter ihr die Reifen wie Schlangen über den Asphalt zischten, begann sie zu ahnen, dass ihr Wunsch nicht in Erfüllung gehen würde.
Schilling döste dem Ende der Ed Sullivan Show entgegen, als ihn der Anruf erreichte. Ohne jede Vorahnung, ohne ein Bauchgefühl oder etwas in der Art, was ihn darauf vorbereitet hätte. Es war Jackowitz.
»Don’s Drive-In«, sagte er.
»Was ist damit?«
»Sie haben doch vor einigen Jahren in einem Mordfall ermittelt, bei dem es einen Verdächtigen namens Ray Pye gab. Erinnern Sie sich?«
»Klar erinnere ich mich. Was ist los?«
»Das wird Ihnen gefallen, Charlie. Vor einer Viertelstunde wurde Pye von zwei Augenzeugen als Todesschütze eines Mädchens namens Tonianne Primiano identifiziert. Die Kollegen haben gerade ihren Bericht durchgefunkt. Das Mädchen sitzt mit einem Hamburger auf dem Beifahrersitz eines VWs, als plötzlich dieser Pye auftaucht und ihr das Hirn wegpustet. Die Fahrzeughalterin hat er mit vorgehaltener Waffe gezwungen, in seinen Kofferraum zu klettern, dann ist er mit ihr davongebraust. Es heißt, das Ganze hätte gerade mal zwei Minuten gedauert. Wir haben eine Großfahndung nach seinem Wagen eingeleitet.«
»Die Fahrzeug halterin ?«
»Es handelt sich um einen VW-Käfer. Und das Schlimme daran, Charlie: Der Wagen ist auf Sally Richmond zugelassen.«
Er fühlte sich, als hätte man ihm eine Bowlingkugel gegen den Brustkorb geschleudert. Er setzte sich aufs Sofa und hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Aber sein Verstand arbeitete – erstaunlicherweise – auf Hochtouren.
Das ist nur deine Schuld, dachte er.
Du musstest ihn ja so unter Druck setzen. Du gottverdammter Idiot.
»Ich weiß nicht, wie gut Sie das Mädchen kennen, Charlie. Aber Ed … ich meine … für ihn muss es ein schlimmer Schock sein. Er wird aus allen Wolken fallen.«
Du hast ihn unter Druck gesetzt, und er ist ausgeflippt. Einfach so. Nur nicht so, wie du erwartet hast. Du wolltest nicht, dass er auf diese Weise ausflippt. Du blöder verbohrter Scheißkerl hast die ganze Zeit mit dem Leben anderer Menschen gespielt. Du Arschloch.
»Möchten Sie rüberfahren? Ich meine, soll ich Sie mit dem Fall betrauen? Soll ich Ed anrufen?«
»Ich übernehme den Fall. Aber Ed rufe ich selber an. Das erledige ich jetzt gleich, solange ich noch den Mut dazu habe. Danach fahre ich zum Drive-In. Schicken Sie sofort einen Wagen zum Starlight Motel. Pye hat dort ein Apartment. Sagen Sie den Männern, sie sollen nach ihm Ausschau halten, aber nichts weiter unternehmen. Auf meinem Schreibtisch liegt eine Akte über Pye. Darin stehen zwei Namen, Tim Bess und Jennifer Fitch. Schicken Sie dort ebenfalls ein paar Beamte hin. Jemand soll die beiden anrufen und
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