The Lost
oben.
Jennifer war in ihrem Zimmer. Er drehte den Knauf herum, aber die Tür war abgesperrt. Kein Problem. Er hängte sich das Gewehr über die Schulter, zückte den Revolver und schoss zweimal auf das Türschloss, so wie im Film. Der Flur war von einem Mordslärm erfüllt. Dann versetzte er der Tür einen Tritt, und sie flog auf, ebenfalls wie im Film. Jennifer stand am offenen Fenster, halb drinnen, halb draußen. Mit drei schnellen Schritten durchquerte er den Raum, packte sie am Arm und zerrte sie wieder hinein.
»Wo willst du denn hin, Jen?«
Er meinte, sie irgendwas sagen zu hören, aber vielleicht wimmerte sie auch nur vor sich hin, denn ihm klingelten die Ohren, so dass er nichts verstehen konnte. Er zerrte Jennifer zur Tür und hinaus in den Flur und dann weiter die Treppe hinunter. Sie wehrte sich nicht. Sie hatte eine Heidenangst und heulte, und jetzt konnte er einigermaßen verstehen, was sie sagte: Tu mir nichts, bitte, Ray, bitte. So was hörte er gerne von ihr. Mrs. Griffith kroch Richtung Küche, vermutlich zur Hintertür. Die Blutspur hinter ihr hatte Ähnlichkeit mit der Kriechspur einer Schnecke.
Er beschloss, nicht noch einmal auf sie zu schießen. Sollte sie ruhig noch etwas kämpfen.
Sie war alt. Sie würde sowieso bald sterben. Scheiß drauf.
Er zerrte Jennifer nach draußen und die Straße hinunter zum Wagen. Sie schluchzte, sie sah echt beschissen aus, ihr Gesicht war knallrot und ganz fleckig. Als sie den Wagen erreichten, drückte er ihr die .38er an die Wange, und sie blieb starr vor Angst stehen, während er den Schlüssel hervorkramte, den Kofferraum öffnete und – Überraschung, Überraschung ! Miss Long Tall Sally weilte noch unter den Lebenden, war doch nicht an einer Kohlenmonoxidvergiftung gestorben. Das Blut an ihrem Körper war größtenteils getrocknet, und sie blinzelte zu ihnen herauf, versuchte sich aufzusetzen. Er trat rasch einen Schritt zurück, um, wenn nötig, beide Schlampen gleichzeitig abknallen zu können.
»Du bleibst schön da drin, kapiert? Jennifer, rein mit dir. Ihr werdet’s da drin schön kuschelig haben. Ist so ’ne Art Schlummerparty. Ach so, Moment mal. Ihr beide kennt euch ja noch gar nicht, oder? Sally, das ist Jennifer. Jennifer, das ist Sally. Und jetzt rein mit dir, Jen. Sonst muss ich dich direkt hier vor den Nachbarn erschießen.«
Sie folgte seiner Anweisung, legte sich zu Sally in den Kofferraum. Er musste lächeln. Die beiden passten gerade so hinein. Es war wie mit neuen Cowboystiefeln; die waren am Anfang auch immer zu eng, bis man sie eingelaufen hatte.
Das Gleiche würde er mit den beiden Mädchen tun, nur dass sie dabei auf der Strecke blieben.
Er warf den Kofferraum zu, setzte sich hinters Steuer und brauste los.
Fünf Minuten später fuhr vor dem Haus der Griffiths der Streifenwagen vor. Als Officer Bill Klossner die offene Haustür sah, dachte er: Was soll das denn? Und dann: Oh, Scheiße. Denn er hatte mitbekommen, wie der Lieutenant die Familie angerufen und gewarnt hatte.
Der Tatort war inzwischen abgesperrt worden, und die Beamten hielten eine Schar neugieriger Jugendlicher auf Abstand und befragten gerade jene, die behaupteten, dass sie den Tathergang beobachtet hätten, als Schilling endlich eintraf. Er sprach mit Fisher und Bartel, die als Erste am Tatort gewesen waren, und mit den beiden Teenagern, die Pye erkannt hatten, einem Burschen mit sandfarbenem Bürstenschnitt, der passenderweise Sandy Zulof hieß, und seiner Freundin Barbara Toss. Die beiden waren sich sicher, dass es sich um Pye gehandelt hatte, sie kannten ihn vom Highschool-Parkplatz, auf dem er während des Schuljahres ständig herumlungerte. Sie nannten Pyes Automarke, und ihre Beschreibung war absolut zutreffend, bis hin zum Leberfleck auf der Wange. Schilling ließ sie von einem Streifenwagen aufs Revier bringen, wo man ihre Aussage zu Protokoll nehmen würde, dann hob er das Absperrband und betrat den Tatort.
Tonianne Primianos Leiche lag mit dem Gesicht nach oben im Wagen, ihr Kopf klemmte zwischen Fahrersitz und Bremspedal. Und ihr langes dunkles Haar baumelte in eine Blutlache. Sie trug eine abgeschnittene Jeans und ein rotblaues Batik-T-Shirt. Ihre Waden sowie der rechte Unterarm lagen noch auf dem Beifahrersitz des VW; ihre brandneuen Tennisschuhe waren blitzweiß und frei von Blutspritzern oder Schmutzflecken. Er betrachtete die Wunde und tippte auf eine .38er. Den Schmauchspuren nach zu urteilen war der Schuss aus nächster Nähe
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