The Lost
weißt, hat Jackowitz da auch noch ein Wörtchen mitzureden. Du bist jetzt ein ganz normaler Bürger.«
»Was auch immer Jackowitz einzuwenden hat, ich werd ihn schon überzeugen.«
Er lächelte. »Da bin ich mir sicher. Komm, sprechen wir mit Tim Bess.«
Harold Pye war irritiert und ein wenig verwirrt.
Vor einer Viertelstunde hatte er zu Hause angerufen, um Jane zu bitten, ihm ein Sandwich zuzubereiten. Er war am Verhungern. Jane hatte zum Abendessen ja unbedingt was vom Chinesen bestellen müssen, und das Zeug war ihm zuwider. Chinesisches Essen war für ihn nur ein Haufen gebratener Würmer in salziger Sauce auf klebrigem Reis. Die Rippchen schmeckten eher wie Lutschbonbons als nach richtigem Fleisch. Jedes Mal, wenn sie etwas vom Chinesen bestellte, aß er kaum etwas davon, darum hatte er schon wieder Hunger, also versuchte er sie anzurufen.
Aus dem hinteren Fenster des Rezeptionsbüros konnte er erkennen, dass im Schlafzimmer des Hauses Licht brannte, und im Wohnzimmer sah man das flackernde Licht des Fernsehers. Das bedeutete, dass sie zu Hause war. Doch sie ging nicht ans Telefon. Er hatte es schon dreimal versucht.
Also rief er in Rays Apartment an, aber dort nahm ebenfalls niemand ab; allerdings hatte er das auch nicht erwartet. Er hatte gesehen, wie Ray losgefahren, aber nicht, wie er zurückgekehrt war.
Doch dass Jane sich nicht meldete, irritierte ihn ernsthaft.
Hatte sie den Fernseher so laut gestellt? War das Telefon kaputt? War ihr etwas passiert, hatte sie einen Herzinfarkt erlitten, oder war sie gestürzt? Jane hatte eine ausgezeichnete Konstitution, aber trotzdem, sie waren beide nicht mehr die Jüngsten.
Verwirrend war vor allem die Frage, was er nun tun sollte. Die Rezeption verlassen durfte er nicht. So lautete die Regel. Genau genommen war es Janes Regel. Eigentlich wusste er gar nicht, wovor sie überhaupt Angst hatte – dass jemand einbrechen und die Geldkassette stehlen könnte, dass jemand ein Zimmer mieten wollte und niemand da war oder dass jemand Kleingeld für den Cola-Automaten benötigte? Was für ein Unsinn. Aber so lautete ihre Regel. Er hatte sich immer daran gehalten.
Mittlerweile knurrte ihm der Magen.
Ausschlaggebend war letztlich sein Hunger, nicht dass er sich wirkliche Sorgen um Jane machte.
Es würde ja nicht lange dauern.
Er nahm den Büroschlüssel vom Wandbrett, schloss die Schublade ab, in der die Geldkassette lag, und schaltete den stummen Fernseher aus. Er erhob sich vom Tisch, ging zur Tür und sperrte sie zweimal ab, überquerte den Parkplatz und kam an Rays dunklem Apartment vorbei.
Hierfür würde er gleich mächtig was aufs Dach kriegen.
Er stieg den Weg zum Haus hinauf. Alles in allem würde es höchstens fünf Minuten dauern.
Sein Magen sagte ihm, dass es den Ärger wert war.
Ray hielt mit dem Wagen direkt vor Katherines Haus. Wegen ihres Vaters. Er wusste, dass ihr Vater ein großer Mann war, und fragte sich, wie viele Kugeln man benötigte, um jemanden wie ihn zu erledigen. Ihm waren die Mädchen im Wald wieder eingefallen, damals hatte er ja auch schon mehr Schüsse als erwartet abfeuern müssen.
Aber Kath kannte ja seinen Wagen. Vielleicht bemerkte sie die eingeschalteten Scheinwerfer und den laufenden Motor. Dann käme sie bestimmt wutentbrannt aus dem Haus gestürmt. Der Rest wäre ein Kinderspiel, und er müsste sich nicht mit ihrem Vater herumschlagen. Aber dazu musste sie ihn erst mal bemerken.
Tim war völlig verängstigt und packte sofort aus. Er erzählte ihnen, was er und Jennifer seit Schillings Besuch getan hatten. Von den Anrufen. Und davon, dass Jennifer zum Motel gefahren war und mit Ray Schluss gemacht und ihm den Ring an den Kopf geworfen hatte. Dass Ray in seinem Zimmer ein Loch in die Wand geschlagen hatte. Selbst vom Hasch, das er für Ray transportierte, erzählte er ihnen. Schilling hatte Tim keine Straffreiheit versprochen. Sie hatten ihm gar nichts versprochen. Sie hörten ihm einfach nur zu. Es war, als wäre in seinem Innern ein Staudamm gebrochen, und nun sprudelte alles aus ihm heraus.
Er erzählte ihnen von der Nacht vor vier Jahren und welche Rolle er und Jennifer dabei gespielt hatten. Währenddessen liefen ihm Tränen übers Gesicht. Er bereute die Sache von ganzem Herzen.
Charlie sah, dass Ed das naheging.
Ihn selbst ließ es völlig kalt. Scheiß auf die Reue des Jungen. Zwei weitere Menschen waren gestorben, nur weil Tim das mit der Reue nicht früher eingefallen war. Und jetzt heulte er Rotz und
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