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The Lost

Titel: The Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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sich, welchen Platz er selbst wohl einnahm in einem Spektrum menschlichen Verhaltens, das von Ed bis Pye reichte.

    »Das funktioniert nicht. Ich hab’s schon versucht.«
    Jennifer kauerte auf allen vieren und drückte ihren Rücken mit aller Kraft gegen den Kofferraumdeckel, versuchte verzweifelt, ihn aufzustemmen.
    »Du wirst dir nur wehtun.«
    Schließlich gab Jennifer auf und rollte sich wieder auf die Seite. Sie spürte Sallys Atem im Nacken. Neben all den anderen Gerüchen konnte sie auch das an Sally getrocknete Blut riechen; es stank wie verdorbenes Fleisch. Ihre Kehle war rau vom Weinen und Schreien und von den Autoabgasen.
    Der erste Schock hatte einem Gefühl grenzenloser Leere Platz gemacht.
    Sie fühlte sich wie benebelt. Das Mädchen hinter ihr war still.
    »Er ist plötzlich neben dem Wagen aufgetaucht und hat einfach deine Freundin erschossen?«, fragte sie.
    »Ja. Einfach so.«

    Als sie durch die Flügeltüren traten, standen Bill und June Richmond neben dem Einsatzleiter und redeten mit Jackowitz. Bill war blass und wirkte besorgt, aber trotz der Hitze sah sein Hemd absolut frisch aus, und Ed fragte sich, ob er sich extra umgezogen hatte, bevor sie hergekommen waren. June schwankte ein wenig, sie war kurz davor, in Ohnmacht zu fallen, was unter den gegebenen Umständen wohl nicht das Schlechteste war. Als Charlie und Ed zu ihnen traten, fuhren die beiden herum, und Ed sah, wie Bills Augen aufblitzten. Charlie stellte sich rasch zwischen die beiden.
    »Bleib ruhig, Bill.«
    »Du gottverdammter Hurensohn. Ich hab’s gewusst!«
    »Tut mir leid, Bill. Ich kann dir im Moment nicht mehr sagen, außer dass ich deine Tochter sehr gern habe und mir große Sorgen um sie mache.«
    »Du verdammter Lüstling ! Du bist widerlich! Eigentlich müsste ich dich anzeigen und ins Gefängnis werfen lassen!«
    »Komm schon, Bill. Sally ist ehemündig«, sagte Charlie.
    »Macht das die Sache etwa besser? Dieser Hurensohn wagt es, hierherzukommen? Ausgerechnet jetzt ? Um es mir persönlich unter die Nase zu reiben?«
    »Du hast doch gehört, was er gesagt hat. Er macht sich große Sorgen um Sally. Das tun wir alle. Mich eingeschlossen.«
    »Wie, vögelst du meine Tochter etwa auch, Charlie?«
    Sie alle sahen, wie June zusammenzuckte.
    Seufzend trat Ed hinter Charlie hervor.
    »Bill, du liegst völlig falsch. Wenn du dich beschweren willst, dann tu das bei mir. Ich hoffe, wir haben bald die Gelegenheit, in Ruhe darüber zu reden. Aber im Moment haben wir Dringenderes zu tun. Wir müssen Sally so schnell wie möglich finden. Und dazu müssen wir mit dem Jungen dort drüben reden.«
    Er nickte in Tims Richtung, der mit seinen Eltern weiter hinten im Gang hockte und die Szene beobachtete.
    »Bist du damit einverstanden, Bill?«, fragte Charlie. »Ed hat Recht. Die andere Geschichte hat Zeit. Das mit Sally nicht. Da sind wir doch einer Meinung, oder? Ich möchte, dass du mich jetzt meinen Job machen lässt, ja?«
    Die Polizisten merkten, wie Bill sich fügte. Es war kein schöner Anblick. Es war würdelos, mitleiderregend und jämmerlich. June berührte ihn an der Schulter, als wüsste sie, dass sie das nun, anders als noch gerade eben, gefahrlos tun konnte. Sie sah zu Charlie und dann zu Ed, und es war kein unfreundlicher Blick.
    »Er hat Recht, Bill. Bitte. Wir wollen unsere Sally zurückhaben. Lass uns der Polizei dabei helfen.«
    Sie hatte Tränen in den Augen, aber sie schien sie gar nicht zu bemerken; es war, als wären die Tränen Teil ihres natürlichen Zustands. Bill wandte sich zu ihr um und musterte sie; zunächst lag in seinem Blick nichts weiter als stolze, kalte Verachtung, Verachtung für die Schwäche seiner Frau, doch nach und nach wurden seine Gesichtszüge weicher, und dann wirkte er unendlich zärtlich und verletzlich. Es war, als sähe man jetzt jenes Paar vor sich, das die beiden vor fünfundzwanzig Jahren mal gewesen waren. Bevor sie zu dem wurden, was sie heute waren.
    »Haben wir einen Raum, in dem diese Leute sich etwas ausruhen können?«, fragte Charlie an Jackowitz gewandt.
    »Klar. Kommen Sie mit. Wir besorgen Ihnen einen Kaffee.«
    Jackowitz führte sie den Gang hinunter, vorbei an der Bess-Familie, und bemerkte, wie Bill zögerte und Tim einen Moment anblickte. Vermutlich fragte er sich, was dieser Junge, dieser Fremde, mit seiner Tochter und der Suche nach ihr zu tun hatte, und dann ging er weiter.
    »Charlie, ich will bei der Sache mitmachen«, sagte Ed.
    »Ist schon klar. Aber wie du

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