The Lost
Wasser.
Er zeigte ihm seine Gefühle nicht. Er würde ihm gar nichts zeigen.
»Und, was meinst du? Wo wird er sie hinbringen?«
»In sein Apartment?«
»Seit dem ersten Mord steht dort ein Streifenwagen. Aber Ray ist dort bisher nicht aufgetaucht.«
Tim schüttelte den Kopf. »Dann weiß ich auch nicht. Vielleicht zum Turner’s Pool? Wo er die … Mein Gott. Ich habe keine Ahnung, wie der inzwischen tickt. Eigentlich dachte ich, ich wüsste … O Gott. O mein Gort!«
»Was ist denn?«
»Kath. Katherine Wallace. Er war nicht nur sauer auf Jennifer und Sally. Am meisten Wut hatte er auf Kath. Sie ist mit ihm ein paarmal ausgegangen, und Ray hat sich in sie verknallt, und dann ist Kaths Mutter gestorben, und sie ist nach Kalifornien geflogen. Nach ihrer Rückkehr wollte sie nichts mehr von ihm wissen, sie wollte keine feste Beziehung eingehen. Das hat er mir bei dem Besuch alles erzählt und …«
»Wo wohnt Katherine?«
Er nannte ihnen die Adresse. Schilling warf Ed einen Blick zu.
»Wir müssen los.«
Ray hatte die Nase voll von der Warterei. Es war nur eine Vermutung, dass sie ihn hier draußen irgendwann bemerken würde. Er verschwendete seine Zeit. Und was die Durchschlagskraft betraf, war ein Kaliber .38 etwas ganz anderes als das mickrige .22. Eine .38er war echt fies. Er hatte es ja vorhin gesehen. Er schnupfte eine weitere Nase Koks aus dem kleinen braunen Fläschchen, stellte den Motor ab und schaltete das Licht aus. Dann stieg er aus und knallte die Tür zu. Er hörte die Mädchen von innen gegen den Kofferraumdeckel hämmern. Doch das störte ihn nicht. Nein, es amüsierte ihn. Die beiden würden nicht weglaufen. Niemand würde sie hören. Weit und breit war niemand zu sehen. Die Mädchen spielten Schlagzeug und er die Leadgitarre, das war alles.
Er schulterte das Gewehr, und während er die Stufen hochstieg, entsicherte er den Revolver. Er griff nach dem polierten Türknauf. Drehte ihn herum. Und lächelte.
Ihr Vater redete mal wieder im Schlaf. Katherine schlug die Cosmo zu und versuchte, die Worte zu verstehen, die am Flurende aus seinem Schlafzimmer drangen. Manchmal sprach er im Schlaf erschreckend deutlich. Diesmal jedoch nicht. In ihrem Zimmer in Kalifornien war sie eines Nachts aufgewacht und hatte ihn So ist sie nun einmal, sie kann nichts dafür sagen gehört. Sie fragte sich, wen er damit gemeint hatte, ob ihm im Traum ihre Mutter erschienen war oder sie selbst. Diesmal verstand sie nur etwas wie estuhmisolet, trotzdem lauschte sie weiter, nur für den Fall. Aus irgendeinem Grund schien es ihr wichtig, mehr über ihren Vater zu erfahren.
Er hatte die letzten Tage viel geschlafen. Den ganzen Rückflug über; gestern Nachmittag hatte er sich dann ein langes Nickerchen gegönnt, und heute Abend hatte er nach Ettas köstlichem Brathuhn verkündet, er werde sich eine Stunde hinlegen, und jetzt schlief er noch immer. Über drei Stunden später. Wahrscheinlich lag es an den Beruhigungspillen. Sie fragte sich, ob so viel Schlaf gut für ihn war. Ob das eine Art von Realitätsflucht war oder ob es dem Heilungsprozess diente oder ob es womöglich eine seltsame Mischung aus beidem war. Sie hatte ein bisschen was über Psychologie gelesen, aber da war es überwiegend um Sex gegangen. Nicht um den Verlust eines geliebten Menschen. Nicht um den Tod.
Sie lauschte noch einen Moment, dann wandte sie sich wieder ihrem Magazin zu. Der Artikel war wirklich bescheuert. Es ging darum, wie nützlich es doch war, sich einen wohlhabenden Liebhaber zuzulegen, insbesondere für spezielle Partys und gesellschaftliche Anlässe, selbst wenn man mit jemandem liiert war, den man eigentlich sehr viel mehr mochte. Als ob sich den meisten Frauen diese Wahl überhaupt stellte. Sie las den Artikel sowieso nur zur Zerstreuung. Denn sie hatte festgestellt, dass ein derartiger Schwachsinn manchmal eine beruhigende Wirkung auf sie hatte. Mit halbem Ohr lauschte sie weiter, ob ihr Vater vielleicht etwas Verständliches von sich gab. Aus diesem Grund hörte sie auch die leisen Schritte auf dem Flurteppich und sprang vom Bett.
Jackowitz griff nach dem Telefon. Am anderen Ende der Leitung war Officer Shack; er rief aus dem Wohnzimmer der Pyes an. Er und Officer Hallan hatten Harold Pye bei sich, es ging ihm wirklich miserabel. Die beiden Beamten hatten das Motel aus einer Seitenstraße mit dem Fernglas beobachtet, als Hallan sah, wie Pye den Hügel hinabgestürmt kam, als wäre ihm ein Rudel Wölfe auf den Fersen.
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