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The Lost

Titel: The Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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könnten. Für Werbung und so. Meinst du, das könnte man einrichten?«
    »Na ja, eigentlich fotografiere ich nur Landschaften.«
    Er lachte. »Na, dann mach doch eine Landschaftsaufnahme mit mir als Mittelpunkt. Oder mit der ganzen Band. Könnte doch cool werden, oder?«
    Sie stopfte den Lakenrand unter die Matratze und trat mit flinken Schritten um das Bett herum.
    »Ich überleg’s mir, okay?«
    Und jetzt, wo sie vorgebeugt dastand und zu ihm aufschaute, lächelte sie doch.
    Das Lächeln war nichts Besonderes, nichts, worauf man sich was einbilden konnte. Aber immerhin.
    »Hör mal, ich fahre heute Abend mit einigen Leuten zum Point rauf. Wir trinken ein paar Bierchen, hängen zusammen ab und schauen uns den Sonnenuntergang an. Von da oben hat man einen fantastischen Blick. Hast du Lust mitzukommen?«
    Sie schüttelte die Kissen auf. »Glaub nicht.«
    »Komm schon. Das wird nett.«
    »Du bist mein Chef, schon vergessen?«
    »Na und? Wir sind ja nicht allein da oben. Ist doch keine große Sache.« Er lachte. »Außerdem ist meine Muffer dein Chef. Ich bin bloß ein Angestellter, genau wie du.«
    »Du bist stellvertretender Geschäftsführer, Ray. Tut mir leid. Das geht nicht. Aber danke für die Einladung.«
    Mit der letzten Bemerkung verschaffte sie ihm eine sanfte Landung. Aber danke für die Einladung. Trotzdem, es ließ sich nicht beschönigen: Sie hatte ihm eine Abfuhr erteilt. Prima. Vielleicht lag das am Stress des ersten Arbeitstages. Es ärgerte ihn zwar, aber schon morgen würde sich die nächste Gelegenheit bieten. Im Moment war es Zeit für einen möglichst würdevollen Abgang.
    »Keine Ursache, Sally«, sagte er. Er lächelte erneut. »Dann lass ich dich mal weiterarbeiten. Wär schön, wenn du dir das mit den Fotos überlegst. Wir könnten wirklich welche gebrauchen. Schönen Tag noch.«
    Als er jetzt über diese Begegnung nachdachte, ärgerte er sich erst recht. Normalerweise hatte er in seiner Position als Geschäftsführer bei einem neuen Zimmermädchen die Oberhand. Und war kein Bittsteller wie in diesem Fall. Sie verdiente mit dem Wechseln von Bettlaken ein bisschen Geld und führte sich auf, als hätte sie das Sagen. Eingebildete Kuh.
    Er fragte sich, wie er weiter mit ihr verfahren sollte.
    Wenigstens hatte er sich Jennifer für eine Weile vom Hals geschafft.
    Jim Brown. Dieser Hollywoodbimbo.
    Er ging ins Bad und betrachtete sich im Spiegel. Das Gesicht, das ihm entgegenblickte, war jungenhaft und gutaussehend, eine dunkelhaarige Version von James Dean – wie er fand. Er lächelte. Das Lächeln im Spiegel war ein strahlendes Lächeln mit gleichmäßigen Zähnen. Er öffnete das Arzneischränkchen und nahm Lidschatten, Augenbrauenstift, Wimperntusche, Puder, Rouge und Lipgloss heraus, schloss die Schranktür und fing an, sich zu schminken. Er war gut darin. Ja, sogar besser als die meisten Frauen. Viele sahen aus wie Clowns oder Nutten, er dagegen wusste, wie man es geschickt anstellte. Die meisten Leute merkten gar nicht, dass er Make-up trug, und wenn doch, dann erklärte er, dass man sich als Mitglied einer Band mit Schminke und Haarfarben auskennen musste; das gehörte eben dazu, wenn man die Sache ernst nahm.
    Es hatte eine äußerst beruhigende Wirkung, Make-up aufzutragen, und während er sich die Augen anmalte, spürte er, wie er sich zum ersten Mal an diesem Abend entspannte. Und als er den Leberfleck auf seiner Wange mit dem Augenbrauenstift nachzog, summte er leise vor sich hin.
    Irgendwie würde er schon an diese Sally Richmond rankommen.
    Und bis zu seiner Verabredung mit Katherine am Freitagabend war es auch nicht mehr lange hin. Er schöpfte gerne aus dem Vollen.
    Er war Ray Pye, Mann! Er würde schon eine Möglichkeit finden.
    Das tat er immer.

10
Dienstag, 5. August • Schilling
    Von seinem Schreibtisch aus rief er im Starlight Motel an, und als Ray sich meldete, legte Schilling sofort wieder auf. Dann nahm er die Akte von Billy Shade zur Hand, einem Kinderschänder und Vergewaltiger, der seit über sechs Jahren hinter Gittern war. Während er sie nach draußen zum Auto trug, schützte er sie mit der Jacke vor dem dünnen warmen Nieselregen. Er fuhr zum Motel, parkte, zog Shades Foto aus der Akte und steckte es in die Jackentasche.
    Was er vorhatte, war alles andere als koscher und würde ihm auf jeden Fall eine Rüge einbringen, falls Jackowitz davon erfuhr, aber er bezweifelte, dass es so weit kommen würde. Und falls doch, dann wäre es den Ärger wert, fand Schilling.

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