The Lost
anders ergehen.
Ray, dachte er, verlier bloß nicht dein gutes Aussehen. Bewahr es dir noch eine Weile.
11
Katherine
Gegen Mittag hatte die Sonne den grauen Nieselregen weggebrannt, und inzwischen war es drückend schwül. Die Frage lautete: zum See oder zum Alpine Pool? Jemand hatte ihr erzählt, dass es im Staatswald, irgendwo oben bei den Zeltplätzen, einen noch größeren Teich gab. Allerdings kannte sie die Zeltplätze nicht, und wie man zum Teich kam, wusste sie auch nicht, und es war viel zu heiß, um ewig herumzusuchen. Am See würde es von Touristen und Sommerausflüglern nur so wimmeln. Dazu die Motorboote und Fischer, die Kinder und die Radios. Der Alpine Pool dagegen lag oben in den Hügeln und war eigentlich nur eine bessere Badewanne; nach einem ordentlichen Regenguss war es dort bestimmt ziemlich dreckig, doch nach dem Nieselregen von eben müsste es dort ganz nett sein. Vor allem die Einheimischen nutzten den Teich. Und Katherine hatte beschlossen, sich künftig als Einheimische zu betrachten, ob es ihr nun gefiel oder nicht.
Sie fuhr die Summit Road bis zur Hügelspitze hinauf – näher kam man mit dem Auto nicht an den Teich heran – und parkte die kleine schwarze Corvette auf dem Kiesstreifen am Straßenrand. Dort standen nur drei weitere Wagen, woraus sie schloss, dass sie hier halbwegs ungestört war. Sie nahm Decke, Handtuch und Badetasche vom Beifahrersitz und lief auf einem schmalen Pfad durch den Wald.
Zwischen den Bäumen war es etwas kühler, aber auch feucht, und bald schon war ihre Haut klebrig vom Atem der Vegetation. Es wurde erst besser, als sie das breite, im gleißenden Sonnenschein daliegende Granitschelf überquerte, und an einem anderen Tag wäre sie vielleicht dortgeblieben und hätte ihre Decke ausgebreitet, aber heute wollte sie unbedingt ans Wasser. Der Pfad war jetzt voller Steine und führte steil bergab. Sie ging langsamer und achtete auf ihren Schritt. Beim Anblick ihrer Sandalen beschloss sie, das nächste Mal Turnschuhe anzuziehen.
Als sie den Grund erreichte, wusste sie, dass es richtig gewesen war, hierherzukommen und nicht zum See zu fahren. Nur etwa zwölf bis achtzehn Jugendliche waren über den breiten Kiesstrand verteilt, und alle waren in ihrem Alter oder ein bisschen jünger. Kein einziges Kleinkind mit Plastikeimer in Sicht. Und nur ein einzelnes Radio, und zwar am hinteren Strandende, wo die meisten Leute zusammenhockten. Von hier konnte sie es kaum hören. Im Wasser waren nicht mehr als vier Leute. Es schien zwar leicht schlammig zu sein, doch sonst war es offenbar in Ordnung.
Einen Wermutstropfen gab es allerdings. Die einzige Person am Strand, die sie nicht nur vom Sehen kannte, war Tim Bess.
Er saß etwa fünfzehn Meter entfernt bei zwei anderen Jungs. Er trug gelbe Bermudashorts, und sie konnte sehen, wie sich die Wirbelsäule auf seinem bleichen Rücken abzeichnete. An den Schultern hatte er bereits einen Sonnenbrand, den er mit Zinksalbe eingeschmiert hatte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er sie bemerkte. An einem so kleinen Strand war das unvermeidlich.
Damit musst du leben, dachte sie. Los, ins Wasser.
Sie schlüpfte aus dem kurzen Frotteekleid. Ihr Vater hätte sich über ihren knappen Bikini bestimmt aufgeregt, aber am Strand waren Mädchen, die noch weniger anhatten. Haut zu zeigen war dieses Jahr schwer in Mode.
Zunächst fühlte sich das Wasser durch den Regen kalt an, doch nachdem sie zweimal abgetaucht war, war es erfrischend. Sie stand auf, strich das klitschnasse Haar zurück und begann zu schwimmen. Sie war eine gute, ausdauernde Schwimmerin. Ihre Mutter hatte es ihr beigebracht, als sie noch einigermaßen beieinander gewesen war. Kraulen, Rückenschwimmen, Seitenschwimmen links, Seitenschwimmen rechts, Brustschwimmen, Schmetterling. Sie wechselte dreimal zwischen den verschiedenen Stilen, bis sie die halbe Strecke zum schlammigen Steilufer auf der anderen Seite zurückgelegt hatte, dann wendete sie, schwamm unter Wasser auf den Strand zu und tauchte dort, wo es nur noch knietief war, wieder auf.
Als sie sich die Augen trocken wischte, sah sie Bess und die beiden anderen Jungs kaum fünf Meter entfernt durchs Wasser waten. Bess sprach mit dem Jungen mit den roten Locken und schien sie nicht zu bemerken. Die beiden anderen hatten sie jedoch entdeckt, und der Bursche mit dem roten Haar nickte in ihre Richtung, so dass Tim sich umwandte, um zu sehen, wen oder was sein Kumpel anblickte, und da erkannte er sie. Er winkte
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