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The Lost

Titel: The Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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Mutter einen ihrer typischen Tobsuchtsanfälle. Sie hatte alle ihre Medikamente abgesetzt und rupfte im Garten, vor den Augen der Nachbarn, die Blumen aus der Erde. Es war ein schöner Tag, die halbe Straße hatte sich vor unserem Haus versammelt, und meine Mutter bestand darauf, dass ich ihr helfen sollte, die Veilchen, Begonien und was weiß ich noch alles auszureißen. Ich gehe also raus, und sie stürmt auf mich zu, packt mich an den Handgelenken und brüllt, ich soll verdammt nochmal die Schaufel aus der Garage holen, denn im Garten sei eine Leiche vergraben. Die Polizei stecke mit den Kunsthändlern unter einer Decke, um ihr einen Mord anzuhängen und an ihre Gemälde zu kommen.
    Da ist mir der Kragen geplatzt. Ich hatte diesen ganzen Wahnsinn endgültig satt und habe sie angelogen.
    Ich erzählte ihr, am Vorabend wäre mein Vater zu mir ins Zimmer gekommen und hätte erklärt, dass er sie bald verlassen würde. Dass er ebenfalls die Nase voll hatte. Und dass er mich mitnehmen würde. Sie und ihre Leichen im Garten könnten mir gestohlen bleiben, sie solle sie gefälligst alleine ausbuddeln.
    Ich glaube, ich habe das gesagt, weil ich mir einerseits wünschte, er würde tatsächlich mit mir fortgehen, und weil ich anderseits hoffte, sie würde ihn darauf ansprechen, ihn deswegen zur Rede stellen. Ich selbst konnte ihm das nicht sagen. Unser Verhältnis war nicht so, dass ich einfach zu ihm sagen konnte: ›Komm schon, Dad, lass uns abhauen. Wir stecken sie ins Irrenhaus und ziehen irgendwo anders hin.‹ Darum hatte ich wohl gehofft, dass sie ihn deswegen zur Rede stellte und er auf diese Weise erfuhr, wie ich mich fühlte.
    Aber das hat sie nicht getan. Sie hat ihm nur ständig vorgeworfen, er hätte vor, sie zu verlassen. Und damit wurde er selbst ein Teil der Verschwörung gegen sie. Sie durchsuchte seinen Schreibtisch nach Landkarten, Flugtickets und Reisebroschüren. Rief rund um die Uhr die Bank an, um sich zu vergewissern, dass er wirklich bei der Arbeit und nicht auf irgendeine Insel geflogen war. Sie hat ihn und seinen Mitarbeiter in den Wahnsinn getrieben. Meines Wissens hat sie ihn kein einziges Mal auf das angesprochen, was ich an diesem Nachmittag im Garten zu ihr gesagt habe, sie hat mich nicht mal erwähnt. Als wäre es undenkbar, dass ich Teil der Verschwörung war, denn ich war ja ihre Tochter und daher zu nichts Bösem fähig. Ausgerechnet ich, die einzige Person, die es tatsächlich auf sie abgesehen hatte.
    Als sie meinem Vater nicht mehr vertrauen konnte, brachte das jedenfalls das Fass zum Überlaufen. Ihre Verschwörungstheorien wurden immer abstruser, sie faselte was von Satanisten. Täglich rief sie die Polizei an, allerdings bei den Kollegen in Orange County, denn die Bullen in unserem Verwaltungsbezirk waren ja alle korrupt und hatten es auf sie abgesehen, und schließlich war sie überzeugt davon, dass mein Vater sie mit Syphilis angesteckt hatte, damit sie innerlich verfaulte.
    Mit den Medikamenten war das so eine Sache. Oft konnte man sie ihr nicht geben, weil sie die ganzen Pillenfläschchen versteckt hatte und behauptete, sie hätte sie verloren. Und dann hat sie mehr geschluckt, als gut für sie war. Oder aber sie hat erklärt, sie sei gesund, und die Ärzte würden auch zu den Verschwörern gehören. Wenn es dann Zeit für ihre Medikamente war, hat sie die Pillen unter der Zunge versteckt und später wieder ausgespuckt.
    Und schließlich ist sie eines Nachts, während wir schliefen, nach unten in die Küche geschlichen. Zu dem Zeitpunkt hatten wir bereits alle Messer und spitzen Gegenstände weggeschlossen. Aber wir hatten einen elektrischen Herd, keinen Gasherd. Sie hat die beiden vorderen Platten auf die höchste Stufe gestellt und gewartet, bis sie glühten, und dann hat sie die Hände auf die Platten gepresst und darauf liegen lassen, bis wir von ihrem Gekreische wach wurden. Sie wollte ihre Hände verbrennen, um keine Fingerabdrücke mehr zu hinterlassen. Ich erinnere mich, dass die Platten noch qualmten, als wir unten ankamen.
    Von meinem Vater ließ sie sich nicht anfassen. Nur von mir. Aber ich hatte natürlich keine Ahnung, was bei so schweren Verbrennungen zu tun war, und mein Vater auch nicht. Wir mussten also auf den Krankenwagen warten, und ich habe sie festgehalten, während sie brüllend und schluchzend am Boden kauerte. Mein Vater saß am Küchentisch, die Hände vors Gesicht geschlagen, und weinte leise in sich hinein. Ich hab das nur bemerkt, weil seine

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