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The Lost

Titel: The Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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kann einen nicht in die Irre führen, oder?«
    Er glaubte, mindestens hundert verschiedene Möglichkeiten zu kennen, wie man jemanden mit der Wahrheit in die Irre führen konnte, aber das behielt er für sich. Ihrer Miene nach zu urteilen dachte sie das Gleiche. Sie wollte ihn nur herausfordern.
    Die Getränke kamen, und die Kellnerin erklärte, dass sie sie auf die Rechnung setze. Das gefiel ihm. Zu Hause musste man seinen Drink sofort bezahlen, also ständig das Geld hervorkramen. Allerdings fragte er sich, was die Drinks hier wohl kosteten. Schließlich waren sie in New York City. Katherines Daiquiri war ziemlich mächtig, sein Scotch hingegen hätte ruhig etwas größer sein können. Er müsste schon zwei oder drei davon trinken, um überhaupt was zu merken.
    Der Daiquiri war mit einer Kirsche garniert, und auf dem Glasrand thronte eine Orangenscheibe.
    »Den schleuderst du aber nicht gegen den Baum, oder?«
    Sie lächelte. »Weiß nicht. Hab noch nicht probiert.« Sie nahm einen Schluck mit dem Strohhalm. »Schätze, den kann man trinken. Also, was meinst du?«
    »Wozu?«
    »Zum Spiel.«
    Sie setzte ihm die Pistole auf die Brust. Falls er nein sagte, würde er wie ein Feigling dastehen. Als ob er etwas verheimlichen wollte. Natürlich hatte er das eine oder andere zu verbergen. Das hatte doch jeder. Wenn er aber mitspielte, müsste er jede ihrer Fragen wahrheitsgemäß beantworten. Eigentlich kein Problem, je nachdem, was sie ihn fragte. Er überlegte, wie gut ihr innerer Lügendetektor war. Vielleicht konnte er sie überlisten.
    »Okay, ich spiel mit. Fang an. Frag mich was.«
    Er nippte an seinem Scotch. Sie musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen.
    »Für den Anfang was Leichtes. Ray, färbst du dir die Haare?«
    Er lachte.
    »Nicht selbst, nein.«
    »Mhm. Man muss wahrheitsgemäß und umfassend antworten, weißt du noch?«
    »Okay, in Ordnung. Ich kenne da dieses Mädchen, das mir einmal im Monat die Haare macht. Sie hat einen Laden drüben in Newton. Sie schneidet die Spitzen und bringt sie in Form. Ist wahrscheinlich ungewöhnlich für einen Mann, aber scheiß drauf, heutzutage spielt das doch keine Rolle mehr, ob du Mann oder Frau bist. Meine echte Haarfarbe ist eigentlich ganz okay, aber ich finde sie ein bisschen zu mausbraun. Schwarz gefällt mir einfach besser. Und dann ist da ja auch noch die Band.«
    Nicht schlecht, dachte er. Ja, er fand, dass er sich gut geschlagen hatte. Er hatte etwas Exzentrisches zugegeben, sicher. Aber gleichzeitig hatte er Geschmack offenbart, etwas, das ihn von anderen Männern unterschied, von den stinknormalen Durchschnittstypen, die zu gewöhnlichen Frisören gingen. Und es war ihm gelungen, nicht so zu klingen, als würde er sich verteidigen.
    Gar nicht schlecht.
    »Jetzt bin ich dran, stimmt’s?«
    »Ja.«
    Er überlegte und trank einen Schluck. Sein Drink war fast leer.
    »Okay. Was hältst du von mir?«
    Sie lachte. »Na ja, eins vorweg, ich kenn dich ja kaum. Aber okay. Also, du bist lustig. Auf eine Weise eigenartig, die mir gefällt. Gutaussehend und selbstverliebt.«
    »Selbstverliebt?«
    »Ja. Und bei dem Spiel ist es verboten, den anderen zu unterbrechen. Also, was fällt mir noch zu dir ein? Du bist ein guter Fahrer. Du verstehst es, dich in Schale zu werfen, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob Lederjacke und Cowboystiefel mitten im August das Richtige sind. Du verbringst deine Zeit mit einem Haufen Verlierer. Aber das ist nicht deine Schuld. In Sparta wohnen sowieso zu neunzig Prozent Verlierer, zumindest habe ich den Eindruck. Und du hast Geheimnisse. Du redest viel, aber sagst nichts. Das finde ich irgendwie … interessant.«
    »Das war’s? Das ist alles?«
    »Fürs Erste, ja. Jetzt bin ich wieder dran. Gehst du mit Jennifer ins Bett?«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Nein. Definitiv nicht.«
    »Du hast noch nie mit ihr geschlafen?«
    »Das ist doch schon die nächste Frage. Ich dachte, ich war jetzt wieder dran.«
    Er hatte sie erwischt. Sie lächelte und zuckte mit den Schultern. »Ja, das stimmt.«
    Er nahm sich vor, nie wieder mit Jennifer ins Bett zu gehen, was seine Antwort der Wahrheit ziemlich nahebrachte. Es war kein großer Verlust. Erst recht nicht, wenn er dafür Katherine vögeln konnte.
    »Also: Findest du mich attraktiv?«
    Sie lachte. »Siehst du? Ich sage doch, du bist selbstverliebt. Du hast bisher zwei Fragen gestellt, und in beiden ging es nur um dich.«
    »Nein, das stimmt nicht. Ich versuche nur herauszufinden, was für einen

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