The Lost
Eindruck du von mir hast. Deine persönliche Wahrnehmung, meine ich. Das ist doch was anderes, oder?«
»Sicher, Ray. Wenn du das sagst. Okay. Ja, ich finde dich attraktiv. Was nicht bedeutet, dass da irgendwas läuft, kapiert? Aber ja. Auf eine merkwürdige Weise finde ich dich attraktiv.«
Er war sich nicht sicher, was auf eine merkwürdige Weise bedeuten sollte, aber jetzt wusste er wenigstens, dass er eine Chance bei ihr hatte. Sie nahm einen Schluck vom Daiquiri und blickte ihn an.
»Was ist das Schlimmste, das du je getan hast?«, fragte sie.
Vielleicht war es die Wirkung des Biers und des Daiquiris, aber sie hatte ziemlich laut gesprochen.
Plötzlich kam es ihm vor, als würden ihn alle Leute im Garten anstarren oder ihm zumindest verstohlene Blicke zuwerfen, ihn heimlich beobachten, wie er mit seinem fast leeren Whiskeyglas hier am Tisch hockte. Ray in Jeans und T-Shirt, mit einer silbernen Halskette, während alle anderen weiße Oberhemden und Krawatten trugen. Die meisten hier hatten vermutlich einen College-Abschluss, und er hatte nicht mal die Highschool beendet. All diese Leute warteten auf die Antwort auf die Frage, was das Schlimmste sei, das dieser Bursche von außerhalb, der ganz offensichtlich nicht hierhergehörte, jemals getan hatte.
Die Musik war ihm nicht laut genug, die Gespräche und das Gelächter an den anderen Tischen auch nicht. Es kam sowieso nicht infrage, dass er es ihr erzählte. Obwohl er für einen Moment daran gedacht hatte – es war echt verrückt –, genau das zu tun.
Allein das war schon erschreckend genug.
»Ich hab mal ein Haus verwüstet.«
Sie wartete, dass er weitersprach. Er wollte ihr die Geschichte ganz ungeschminkt erzählen.
»Ich war vierzehn oder fünfzehn. Ich und Tim, er muss damals zwölf gewesen sein, wir waren beide von zu Hause ausgerissen. Jeder von uns hatte seine Gründe, obwohl ich eigentlich nur eine Stinkwut auf meine Eltern hatte, mehr nicht. Mir gefiel die Vorstellung, von zu Hause abzuhauen und eine Weile unterzutauchen.
Wie auch immer, es gab keinen Ort, wo wir hätten schlafen können, ohne dass irgendwelche anderen Eltern unsere Eltern benachrichtigt hätten. Aber Timmy kannte ein Haus oben an der Stirrup Iron Road, in dem sein Vater eine Zeit lang Tischlerarbeiten erledigt hatte. An den Wochenenden hat er Timmy immer mitgenommen und ihm gezeigt, wie man einen Hammer richtig hält. Macho-Blödsinn, um einen Mann aus ihm zu machen, so was in der Art.«
»Hat offensichtlich nicht geklappt.«
»Hey, Timmy ist in Ordnung. Man muss ihn nur etwas kennenlernen.«
»Ja, ganz bestimmt.«
Er beschloss, die Bemerkung zu überhören.
»Wie auch immer, das Haus stand irgendwo in der Pampa, und Tim wusste, dass die Eigentümer es nur im Sommer benutzten, und es war erst März oder April. Also sind wir einfach da eingebrochen. Eine Riesenhütte, mit vier Schlafzimmern. Stinkreich die Leute. So reich, dass sie das Haus inzwischen gar nicht mehr benutzen, geschweige denn vermieten. Es steht einfach das ganze Jahr über leer. Komplett eingerichtet. Unglaublich, oder? Die Möbel sind alle mit Laken abgedeckt. Mann, ich kapier’s nicht. Was für eine Verschwendung.
Dort einzubrechen war ein Kinderspiel, denn auf der Terrasse hinterm Haus gab’s zwei große verglaste Schiebetüren, die sich problemlos aufstemmen ließen. Wir sind dann zweieinhalb Wochen dortgeblieben. An Lebensmitteln gab’s im Haus nur braunen Reis und Pasta, Thunfisch, Konservensuppen und Nudeln aus der Dose. Wir haben nichts anderes gegessen. Mann, seitdem kann ich keinen braunen Reis mehr sehen, oder Nudeln aus der Dose. Die Hausbar war allerdings gut bestückt, und im Keller stand eine Kiste Bier. Ich habe sogar rausgekriegt, wie man die Pumpe anstellt, so dass wir fließend Wasser hatten. Strom hatten wir allerdings keinen. Und im März war es arschkalt da oben, also haben wir angefangen, die Möbel zu zerschlagen, als Brennholz für den Kamin, und am Ende hatten wir praktisch die ganze Einrichtung verfeuert.«
Erneut erschien die langbeinige Blondine und fragte Ray, ob sie ihm noch einen Drink bringen konnte. Er sagte Ja; scheiß auf die Preise. Er fühlte sich großartig, während er dort mit Katherine in der lauen Sommernacht saß und seine Geschichte erzählte. Ihr Daiquiri war noch halb voll, und sie bestellte nichts.
Ihr den nächsten Teil der Geschichte zu erzählen war wahrscheinlich ein bisschen riskant, aber er beschloss, es dennoch zu tun.
»In einem der
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