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The Lost

Titel: The Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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Schlafzimmer hab ich ein Remington-Jagdgewehr entdeckt, und im Nachttisch einen .38er Damenrevolver mit einer Schachtel Patronen. Wir konnten echt nicht fassen, dass die Leute ihre Waffen einfach so rumliegen ließen, obwohl die Bude mehr als die Hälfte des Jahres unbewohnt war. Aber weißt du, was das Schlimmste ist, wenn man von zu Hause abhaut? Diese verdammte Langeweile. Wir konnten da oben weder fernsehen noch die Schallplatten hören, die da rumlagen. War zwar nur Klassik, aber trotzdem. Es gab ja keinen Strom, außerdem hatten sie das Wasser aus dem Swimmingpool abgelassen. Also haben wir den ganzen Tag nur gekifft, gesoffen und Magazine durchgeblättert, ohne das Haus zu verlassen.
    Irgendwann haben wir angefangen, von der Terrasse aus auf Vögel und Eichhörnchen zu schießen. Wir wollten mit einem Eichhörncheneintopf wohl ein bisschen Abwechslung in unseren Speiseplan bringen, aber eigentlich ging es nur darum, die verdammte Langeweile zu vertreiben.
    Wir haben nie was getroffen. Wir waren lausige Schützen. Inzwischen bin ich besser, aber damals habe ich kein einziges Tier getroffen, und Tim auch nicht. Also haben wir uns im Haus Ziele gesucht. Wir haben Teller auf den Kamin gestellt und drauf geschossen. Auf Lampen, Flaschen, Bierdosen und ihre blöden Porzellanfiguren. Es war ein Heidenspaß, denn egal, ob wir getroffen hatten oder nicht, man musste der herumzischenden Kugel ausweichen und vor den Querschlägern in Deckung gehen. Das war wohl ziemlich bescheuert von uns. Wir hätten dabei draufgehen können. Aber wir waren ständig bekifft, und es war mal ’ne Abwechslung. Sogar auf den Fernseher haben wir geschossen. Den konnten wir ja sowieso nicht benutzen.
    Na ja, um es kurz zu machen: Eines morgens, wir waren gerade aufgestanden, wird uns klar, dass das Haus einem Schlachtfeld gleicht und völlig verdreckt ist. Ich meine, wir haben keinen einzigen Teller abgewaschen, nicht ein Glas, von Töpfen und Pfannen ganz zu schweigen, und so sah die Küche auch aus. Das Wohnzimmer war eine einzige Trümmerlandschaft, die Hausbar leergesoffen, der Thunfisch war alle, und wir konnten keine Dosennudeln mehr sehen. Das Gras war aufgebraucht, und uns war todlangweilig, also beschlossen wir, die Fliege zu machen.«
    »Wo seid ihr hingegangen?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Nach Hause. Unseren Eltern haben wir erzählt, wir wären die ganze Zeit rumgetrampt. Wir haben beide ohne Ende Hausarrest gekriegt, aber sie haben uns die Geschichte abgekauft. Man ist uns nie auf die Schliche gekommen. Aber das Haus, das war total im Arsch. Hey, am zweiten oder dritten Tag, den wir da waren, hat Tim zu viel getrunken und das Bett vollgekotzt. Und dann ist er einfach ins nächste Zimmer umgezogen. Mann, das Haus war eine komplette Müllhalde.«
    Die Kellnerin brachte seinen Drink, und er bedankte sich.
    Hätte er in New York gewohnt, hätte er sonst was angestellt, um die Frau ins Bett zu kriegen. Sie war rattenscharf. Er zündete sich eine Zigarette an.
    »So«, sagte er. »Was ist das Schlimmste, das du jemals getan hast?«
    »Ich habe meine Mutter angelogen.«
    Er lachte. »Sonst nichts? Das war das Schlimmste ?«
    »Ich meine eine ganz bestimmte Lüge.«
    Er wartete.
    »Denk dran, die volle Wahrheit«, sagte er.
    »Ich weiß.« Sie seufzte. »Als ich ungefähr zwölf war, wurde bei meiner Mutter paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Aber verrückt war sie schon viel länger. Ja, ich kann mich kaum erinnern, wie es war, als sie noch gesund war. Sie muss mal eine gute Mutter gewesen sein – und eine großartige Malerin. Abstrakte Kunst. Sie hatte Ausstellungen in San Francisco, Rhode Island und sogar hier in New York in der OK Harris Gallery. Das ist die Galerie von dem Typen, der Andy Warhol entdeckt hat. Wie auch immer, irgendwann hat sie angefangen, sich einzubilden, die gesamte Kunstwelt wäre gegen sie. Und nicht nur das, plötzlich fühlte sie sich auch von der Polizei und der Mafia verfolgt, von Tanten, Onkeln und Cousinen. Praktisch von der ganzen Familie. Ach ja, und vom FBI.
    Aber mein Vater hat sich geweigert, sie einweisen zu lassen. Wahrscheinlich hat er sie noch geliebt oder es einfach nicht übers Herz gebracht. Deshalb war sie ständig im Krankenhaus und wurde mit allen möglichen Psychopharmaka vollgepumpt. Du glaubst zu wissen, wie man ein Haus verwüstet? Meine Mutter hätte euch noch ein paar Lektionen erteilen können.
    Wie auch immer, an einem Samstagnachmittag, ich war vierzehn, hatte meine

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