The Lost
die Tür unten offen gelassen. Kann gar nicht anders sein.«
»Mag sein, dass du sie offen gelassen hast, aber ich bin übers Dach gekommen.«
Sie trat zum Fenster und blickte hinaus. »Du behauptest also, du bist aufs Dach gestiegen, hast von draußen das Fenster hochgeschoben und bist in mein Zimmer geklettert? Ist doch lächerlich. Da draußen steht nirgends eine Leiter. Du bist über die Treppe gekommen.«
Er stand auf und deutete auf seine Hose. »Seh ich so aus, als wär ich über die Treppe spaziert? Ich hätte nicht gedacht, dass ich dabei so schmutzig werde, aber das war es wert. Hat Spaß gemacht.«
Es hatte keinen Spaß gemacht, aber das brauchte sie ja nicht zu wissen. »Siehst du den Baum da? Den bin ich hochgeklettert und dann übers Dach zu deinem Fenster gekrabbelt.«
Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß, und jetzt sah er, dass sie ihm endlich glaubte.
»Du bist verrückt. Du hättest dir das Genick brechen können. Ist das dein Hobby, an Fassaden rumzuklettern, oder was?«
Er wusste nicht, ob sie beeindruckt oder wütend war. Er zuckte mit den Schultern.
»Wenn eine Lady mich bittet, sie zu überraschen, dann überrasche ich sie.«
»Offensichtlich. Und was jetzt? Willst du hier sitzen bleiben und mir beim Anziehen zuschauen? Geht’s darum?«
»Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen. Aber sicher, gerne.«
»Du träumst wohl, Ray. Im Kühlschrank steht Bier und Pepsi. Bedien dich. Ach so, sag mal, wo fahren wir eigentlich hin?«
»Nach Bertrand’s Island. «
»Was ist das denn?«
»Du hast noch nie davon gehört? Ein Vergnügungspark.«
Sie nickte. »Ach so. Gibt’s da auch eine Achterbahn?«
»Die Beste weit und breit.«
Sie nahm das Handtuch vom Kopf und fing an, sich die Haare trockenzurubbeln. Er konnte ihre Reaktion auf seinen Plan genauso wenig einschätzen wie die auf den Fenstereinstieg. Wirklich rätselhaft, diese Katherine.
»Hast du von den Morden in L. A. gehört?«
»Ja, aus dem Fernsehen.«
»Wahnsinnsgeschichte, was?«
»Wenn man’s so ausdrücken will, ja. Hol dir was zu trinken, Ray. Ich bin in ein paar Minuten unten«, sagte sie.
Und damit war er entlassen.
Sie sah wieder fantastisch aus. Hautenger, ärmelloser schwarzer Pullover und ein cremefarbener Minirock. Diesmal trug sie allerdings einen BH.
Aber wie zum Henker konnte er bei ihr landen?
Sie war nicht sonderlich beeindruckt, egal was er heute Abend auch sagte oder tat. Sie schien sich im Vergnügungspark zwar einigermaßen zu amüsieren – sie fand die Achterbahn ganz nett –, aber man merkte ihr an, dass sie weit spektakulärere Fahrgeschäfte kannte. Allerdings rieb sie es ihm nicht unter die Nase, indem sie Name oder Standort dieser besseren Achterbahnen nannte. Wahrscheinlich irgendwo in Kalifornien. Sie fuhren zwei Runden, dann stiegen sie in den Tilt-a-Whirl, und anschließend fuhren sie mit der Wild Mouse, die in einer abfallenden Kurve weit über das Ufer des Hopatcong-Sees hinausführte. Zwischendurch tranken sie ein paar Bierchen mit einem Schuss Whisky aus dem Flachmann, den er am Gürtel trug. Die meiste Zeit jedoch schlenderten sie umher, betrachteten die Lichter und die Besucher, lauschten der Dampforgelmusik und den Schreien der Achterbahnfahrer. Beim Entenschießen landete er mehrere Treffer und gewann einen Teddybären für sie, und beim Dartwerfen auf Ballons einen weiteren. Was seine Treffsicherheit anging, war er in Höchstform. Er wünschte nur, das würde auch für andere Sachen gelten.
Die Teddybären und die Fahrten schienen ihr zu gefallen, aber er merkte, dass ihr langweilig war.
Lag es etwa an ihm?
So etwas war er nicht gewohnt.
Als sie eine Fahrt auf dem Riesenrad ablehnte, wusste er, dass er sich etwas einfallen lassen musste – und zwar sofort. Je länger sie ziellos umherwanderten, desto schlimmer würde es. Die Dragsterstrecke wäre perfekt gewesen, aber die hatte die Polizei letztes Wochenende dichtgemacht, und jetzt wurden dort die Ausweise kontrolliert. Das kam also nicht infrage. Nach einer Weile hatte er die rettende Idee.
»Sollen wir gehen?«
»Klar. Wo möchtest du hin?«
Er grinste. »Wart’s ab.«
Auf dem Parkplatz blieb sie ungefähr fünf Meter vor seinem Wagen stehen und schaute sich um.
»Mein Chevy steht dort«, sagte er.
»Ich weiß«, sagte sie und blickte sich weiter suchend um. »Weißt du, wie man ein Auto kurzschließt, Ray?«
Er lachte. »Nee. Ich hab das zwar in unzähligen Filmen gesehen. Aber ich hab keine Ahnung, wie das
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