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The Lost

Titel: The Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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Kunstwerk. Das war nicht mehr seine Küche, sie gehörte jetzt Jackson Pollock. Überall leere Dosen, zerrissene Gefriertüten, Pappschachteln, Alufolie, Zellophanpapier, Eierschalen, Apfelgehäuse, Zitronenschalen, Bierbüchsen, Whiskey- und Limonadenflaschen, Schraubverschlüsse, Toastbrotscheiben, Butterreste, Töpfe, Messer, Gabeln, Teller, Tassen. All das war sein Werk, und er hatte wahrlich ganze Arbeit geleistet.
    Er war ein Titan des Chaos. Es war Sommer. Fliegen schwirrten herum.
    Zum Kotzen, dachte er. Mein Gott.
    Und dann kotzte er wirklich.
    Er schuftete von morgens bis spät nachmittags. Er wusch und schrubbte, rubbelte und polierte, wischte, saugte und bohnerte und brachte jedes Reinigungsmittel und jedes Putzutensil zum Einsatz, das er im Haus hatte. Zunächst hatte er gedacht, was für eine Scheißarbeit es doch wäre, mit der er hier seinen freien Tag verbrachte, aber als er sich schließlich zum Duschen in die glänzend weiße, haarlose Wanne stellte, verspürte er eine Art Katharsis, eine Läuterung von Geist und Seele.
    Es war ganz allmählich geschehen. Zuerst war er über das Telefonbuch gestolpert und hatte es an seinen angestammten Platz zurückgelegt, dann hatte er die Socken zusammengestopft und in die Schublade gelegt und das schmutzige Handtuch in den Wäschekorb geworfen. Und nun war sein Haus wieder seines. Die Goten waren vertrieben. Singend schrubbte er seine Achseln.
    Es klang grauenvoll, aber er sang.
    Wenn man mit den Händen arbeitet, dachte er, wird man sich manchmal über gewisse Dinge klar. Man vertreibt das Gift aus seinem Körper und die Verwirrung. Fragen führen zwar nicht automatisch zu Antworten, aber sie bringen einen der Lösung näher.
    Er hatte nichts gegen Ray Pye in der Hand. Nicht das Geringste. Aber er hatte zwei Namen, Namen von Leuten, die dem Burschen wichtig waren. Zwei Angriffspunkte.
    Einen der Namen kannte er seit Jahren. Tim Bess. Rays bester Freund. Damals hatte Tim dichtgehalten. Aber das war lange her. Menschen änderten sich. Es war einen weiteren Versuch wert, und wenn er es richtig anstellte und sich nicht allzu strikt an die Vorschriften hielt, würde er diesmal vielleicht etwas herausfinden.
    Er hatte schon ein paar Ideen.
    Seit Rays Party hatte er aber noch einen zweiten Namen. Jennifer Fitch. Als sie ihm ihren Führerschein gezeigt hatte und unbedingt dortbleiben wollte, hätte er eigentlich sofort reagieren müssen. Aber vielleicht hatte er das ja auch, denn er hatte sich ihren Namen gemerkt. Nur war er meistens zu betrunken gewesen, um herauszufinden, was er damit anfangen sollte.
    Als Erstes wollte er in den Akten nachschlagen, was Jennifer Fitch vor vier Jahren bei der Befragung durch Ed gesagt hatte. Viel konnte es nicht gewesen sein, sonst hätte Ed sie ein zweites Mal vorgeladen, und Schilling wäre dabei gewesen. Aber einen Versuch war es wert. Endlich verspürte er mal wieder so etwas wie Optimismus.
    Er nahm sich sogar die Zeit, sich hinter den Ohren zu waschen.
    Den Song, den er sang, kannte er aus dem Radio. Er ging direkt ins Ohr und war ziemlich populär, wie die meisten ihrer Sachen.
    Get back, get back, get back to where you once belonged …
    Recht habt ihr, Pilzköpfe. Kehr zurück, Lo-retta !

28
Ray/Anderson
    »Mann, mach das Radio an!«, sagte Tim. »Sie reden fast nach jedem Song darüber.«
    »Geht nicht.«
    Ray stand hinter der Rezeption und blickte dem Paar nach, das gerade das Büro verließ; der Mann hatte sich einige Reisebroschüren aus dem Regal genommen, in die er wahrscheinlich nie hineinschauen würde.
    »Wir haben in einigen Zimmern Probleme mit der Klimaanlage. Meine Mutter macht deswegen einen Riesenaufstand. Sie beobachtet den Techniker wie ein Falke, und zwischendurch schneit sie immer wieder hier rein. Du weißt doch, wie sehr sie es hasst, wenn hier drin der Fernseher oder das Radio läuft. Keine Ahnung, warum wir hier überhaupt ein Radio haben. Und was soll überhaupt die ganze Aufregung, Alter?«
    »Mann, wir hätten hinfahren sollen. Wir haben’s voll verpennt. Es heißt, es wären vierhunderttausend Leute, vielleicht sogar mehr. Vierhunderttausend! Drei Tage Rock’n’Roll ohne Pause. Hendrix, Joplin, Cocker. Kannst du dir vorstellen, wie viel Stoff da im Umlauf ist? Und die ganzen Weiber.«
    »Tim, ich muss dir echt was zum Vögeln besorgen. Im Ernst. Die Weiber, von denen du sprichst, sind Hippie-Schlampen. Unrasierte Beine und behaarte Achseln, verstehst du? Die haben alle möglichen Krankheiten.

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