The New Dead: Die Zombie-Anthologie
rasiert.
Auf dem Schild, das an der Eingangstür hing, stand Geschlossen , doch ich wusste, dass ich jederzeit willkommen war. Kaum hatte ich die Fahrertür geöffnet, setzten sich ein paar umherstreunende Zikaden auf mein Revers und sahen mich mit ihren leuchtenden Augen an. Die Wälder sangen tausend eintönige Liebeslieber, und so fiel ich summend in ihren Gesang ein, während ich die Hecktüren des Krankenwagens öffnete.
Der Innenraum war mit kaltem, weißem Dampf gefüllt. Die offenen Kisten, die neben der Rolltrage auf dem Boden standen, waren mit Hunderten Trockeneisblöcken gefüllt. Ich atmete die kalte, dünne Luft ein, griff nach der Trage und zog sie heraus, wobei das Fahrgestell ausklappte und die Räder den Boden berührten. Ein halbes Dutzend dick gepanzerter Zikaden und Grillen setzte sich sofort auf das jungfräuliche Weiß des Lakens. Das ununterbrochene Summen der Insekten drang tief in meine Brust und steigerte auf angenehme Weise meine erwartungsvolle Freude.
Ich zog die Fahrtrage über den Hof. Rumpelnd rollte sie über den unebenen Boden. Die Eingangstür aus Glas ging nicht auf, als ich mit der Schulter dagegendrückte, und so rief ich laut: „Milo!“ Er musste im Laden sein, denn sein Pick-up stand auf dem Parkplatz. Mit beidenFäusten trommelte ich gegen das Glas und rief noch einmal seinen Namen.
Auf die Schaufensterscheibe war ein Schwein aufgemalt. „Dem werde ich ordentlich den Marsch blasen“, murmelte ich vor mich hin, während ich nach einem Stein suchte, mit dem ich die Scheibe einschlagen wollte. Ich fragte mich, ob Milo und sein bärtiges Weibsbild, die tschechische Milchkuh, ihre einzige Einkommensquelle wegen ein paar Regenstürmen und Insekten aufgegeben hatten, obwohl sie doch Strom und Generatoren, genug getrocknetes Fleisch und importiertes Bier zur Verfügung hatten, um monatelang ausharren zu können. Sie hätten keinen besseren Ort finden können.
In der Nähe des Fallrohrs der Dachentwässerung entdeckte ich einen hübschen Brocken aus Granit, holte damit weit bis hinter den Rücken aus und schleuderte ihn wie ein Quarterback, der einen Zwanzig-Yard-Pass wirft, aus der Schulter heraus. Mein exzellent gezielter Stein durchschlug zwar nicht das Glas, erzeugte jedoch eine Unzahl spinnennetzartiger Risse in der obersten Scheibe der Eingangstür.
Ein riesiges Insekt dröhnte wie ein Hubschrauber an meinem Ohr vorbei. Ich hörte, wie ein Riegel aufgeschoben wurde, und nun erschien Milos wütende Ehefrau in einem unkleidsamen, hauchdünnen rosafarbenen Nachthemd in der Tür. Mit einem Arm bedeckte sie ihren Busen, um uns beiden die Peinlichkeit zu ersparen.
„Du Fenster zerbrochen, du blöder Lutschschwanz! Verschwinde von hier“, sagte sie.
„Ich will Dolly abholen“, erklärte ich.
Sie musterte die Fahrtrage und den Krankenwagen. „Geschlossen!“, brummte sie.
„Warten Sie … Ist Milo …“
„Geschlossen!“
„Ich heiße Renfroe. Milo hat mir gesagt …“
„Dauerhaft geschlossen. Kein Fleisch!“ Sie knallte die Tür zu, um ihre Aussage zu unterstreichen, und die obere Scheibe der Tür regnete in Scherben auf den Betonboden. Nach einem Moment tauchte ihr Gesicht wieder in der von ihr geschaffenen „Klön“-Tür auf. Ihr Haar war an den Seiten kurz, doch oben auf dem Kopf zu einem fünfzehn Zentimeter hohen duttähnlichen schwarzen Gebilde aufgetürmt, dasnach irgendeinem widerlichen Wildpilz roch. „Piss dich!“, fuhr sie mich an.
Ich griff in meine Tasche und zog einen Geldclip hervor, mit dem ich vor ihrer Nase herumwedelte. Dann riss ich noch meinen Imkerhut herunter und setzte meine ernsthafteste Miene auf, während ich sagte. „In Ihrer Kühlkammer befindet sich ein totes Mädchen, und ich bin hier, um es abzuholen. Milo und ich haben alles besprochen, und ich habe fünfhundert Dollar hier, um gleich zu bezahlen.“
„Milo ist tot durch Herzanfall. Vor einer Woche.“
„Ach, das tut mir aber schrecklich leid.“ Nach ein paar Gedenksekunden fügte ich hinzu: „Kann ich trotzdem mit ihm sprechen?“
„Er hat kein Erinnern.“
Die Insekten saßen auf meinem Gesicht und in meinen Haaren. Ich kniff die Augen zu, weil ich vermeiden wollte, dass sie mir dort hineingerieten, gab jedoch nicht nach und wedelte wieder mit dem Geld herum, damit „Grummeline“ es auch ja nicht übersah. Dummerweise hatte ich vergessen, wie sie hieß, aber Grummeline passte perfekt.
„Sie mir helfen, Loch zumachen“, befahl Grummeline.
„Können Sie
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