The New Dead: Die Zombie-Anthologie
mir sagen, ob das Mädchen noch da ist?“
„Mach Loch jetzt zu, Locharsch!“
Ich warf den Imkerhut auf die Fahrtrage und zwängte mich durch die Tür, das Gestell hinter mir herziehend. Von nahem roch Grummeline nach Peperoni. Sie deutete auf einen Stapel Sperrholzbretter, die auf der Glasabdeckung der leeren Theke lagen, in der einst die besten Fleischstücke präsentiert worden waren.
„Ich hol Hammer“, sagte Grummeline und watschelte ins Hinterzimmer, während ich ein Stück Sperrholz heraussuchte, das groß genug war, um das Loch in der Tür abzudecken. Ich drückte es gegen die Öffnung und wartete. Eine gescheckte Katze kam aus irgendeinem Versteck hervor und sprang auf die Glasabdeckung des Tresens. Sie verfolgte ein Insekt und bewegte den Kopf zu dessen unregelmäßigem Summen. Ich gab einige Schnalzlaute von mir, doch die Katze beachtete mich nicht, wie man es von Katzen gewohnt ist.
Grummeline stürmte mit erhobenem Hammer und einem Dutzend Nägeln, die sie sich zwischen die zusammengepressten Lippen gesteckthatte, wieder in den Verkaufsraum. Sie befestigte das Brett, das ich gegen die Tür drückte, mit den Nägeln, die sie einzeln aus dem Mund zog. Das weiche Fleisch an ihrem Arm schwabbelte nett hin und her, während sie die Nägel ins Holz trieb. Sie war wohl an die sechzig Zentimeter kleiner als ich, hatte jedoch mindestens den doppelten Umfang.
„Keine Insekten!“, stieß sie hervor und spuckte dabei die letzten Nägel aus. Sie erschlug eine Grille, die sich neben einem Poster der Prager Karlsbrücke mit ihren lebensgroßen Heiligenstatuen an die Wand gesetzt hatte, kurzerhand mit ihrem Hammer. „Du hier wegen Mädchen in Eisschrank?“ Ihre Nasenflügel flatterten beim Sprechen.
„Ja, Milo und ich hatten uns auf fünfhundert Dollar für …“
„Milo ist tot! Er erinnert nichts. Ich sage siebenhundertfünfzig.“
„Ich befinde mich nicht in der Position, verhandeln zu können“, erwiderte ich.
„Komm mit“, befahl sie. Die Katze stieg vorsichtig vom Glastresen auf ihre Schulter und richtete sich dort mit zuckendem Schwanz ein. Der Raum, den wir nun betraten, war für das Zerteilen verschiedener Dinge eingerichtet. Riesige Messer und Sägen hingen an den Wänden; darunter stand ein leerer Hackblock, der voller dunkler Flecken war. Durch mehrere Abflüsse im Boden konnte alles bequem weggespült werden.
Der starke, widerlich süßliche Geruch, von dem ich angenommen hatte, dass er von Grummeline ausging, war hier deutlich penetranter. Am anderen Ende des Raumes befand sich die Tür zum Kühlraum, die mit einer Querstange zum Öffnen und Verschließen versehen war. Am liebsten hätte ich gleich die Hand danach ausgestreckt, um den luftdichten Raum zu öffnen, doch stattdessen ließ ich mich von Grummeline in ein armseliges Büro führen. Es war mit einem antiquierten Fernseher mit Drehknopf und ein paar Beistelltischchen voller Papiere eingerichtet. Abgesehen davon saß noch eine Leiche in einem sich leicht bewegenden Schaukelstuhl. Milo war derjenige, der den Geruch verbreitete, und er war durchdringend genug, um meinen bedauernswerten Kehlkopfdeckel in hilflose Zuckungen zu versetzen.
Bei seinem Anblick schlug mein Herz so stark, dass ich keinen weiteren Beweis für seine Funktionstüchtigkeit brauchte. Der widerwärtigeAnblick Milos war auszuhalten, doch das, was er heraufbeschwor, nicht: Negativformen, schwarze Löcher in menschlicher Gestalt, unerträgliche verschwimmende Eindrücke, auf die das Auge sich nicht einlassen mochte, fleischgewordene Statuen, die von Dämonenhand erschaffen worden waren, Orakel, die mit jedem Zucken ihrer Knochen von einer Leere und Dunkelheit kündeten, die kein lebendes Hirn sich vorzustellen vermochte. All das konnte es eigentlich nicht geben, doch es war da. Es zog zu viele Fliegen an, als das man es hätte übersehen können.
Grummeline griff nach einer Fliegenklatsche aus Plastik, die auf einem Stapel Papier lag, und schlug damit auf Milos Kopf. Die Katze auf ihrer Schulter bewältigte diesen Gewaltausbruch mit der Gewandtheit eines Rodeoreiters.
Ich konnte das Summen der Fliegen hören … wie in einem der Gedichte der Dickinson, dieser unheimlichen kleinen Gothic-Dichterin aus Amherst, die an die hundert Hymnen auf den Tod geschrieben hatte. Im Fernsehen liefen die Vorabend-Nachrichten: Eine dreihundertköpfige Kommune in Kalifornien hatte sich nach einem langen Vorspiel ihres Hohepriesters schließlich wie die Lemminge in einen
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