The New Dead: Die Zombie-Anthologie
wohin sie führten, und entdeckte, dass die Kette an einem Betonblock befestigt war. Rankenfußkrebse bedeckten das korrodierte Eisen und den Betonblock, ein weiterer Hinweis dafür, dass, wer immer das sein mochte, schon sehr lange hier unten ausharrte.
Schließlich wurde Jeff klar, dass das, was ihn die ganze Zeit gestört hatte, mit den Augen des Mannes zu tun hatte.
Eigentlich hätte er gar keine Augen mehr haben dürfen!
Egal wie lange oder kurz jemand unter Wasser war, die Augen verschwanden stets als Erstes. Fische, Krebse und andere im Meer lebende Aasfresser machten sich zuerst über die weichsten, saftigsten Teile her. Nach ein paar Tagen oder Wochen waren die Augäpfel fort und nur noch leere Augenhöhlen übrig.
Doch die Augen dieses Mannes waren völlig unberührt, obwohl er sich eindeutig schon so lange unter Wasser befand, dass Rankenfußkrebse sich an der Kette und dem Betonblock, der die Leiche unter Wasser hielt, angesiedelt hatten.
Nachdem Jeff noch einmal um die Leiche herumgeschwommen war und sich alles gut angeschaut hatte, legte er den Kopf in denNacken und schwamm zur Wasseroberfläche zurück. Er achtete darauf, langsam aufzusteigen und Schritt mit den Luftbläschen zu halten, die beim Ausatmen entstanden. Als er durch die Wasseroberfläche stieß, schob er seine Maske zurück und riss sich den Atemregler aus dem Mund. Biz‘ Boot war weniger als fünfzehn Meter von der Stelle entfernt, wo Jeffs Signalboje auf den Wellen hin und her hüpfte. Er hob eine Hand und winkte laut rufend, bis Biz ihn bemerkte und den Motor startete. Jeff hielt sich an seiner Boje fest, als Biz das Boot neben ihm hielt und den Motor ausschalten.
„Wirf mir ein Seil zu“, sagte Jeff, der so heftig keuchte, dass sein Hals wehtat. Er bekam Salzwasser in den Mund und spuckte es wieder aus. „Ich muss wieder runter.“
Biz sah ihn ein, zwei Sekunden lang fragend an, gab jedoch keinen Ton von sich. Er ging in die Kajüte und kam mit einem aufgewickelten Tau zurück.
„Hast du eine Geisterreuse gefunden?“, fragte er, beugte sich über die Reling und reichte Jeff das Seil.
„Schlimmer“, erwiderte Jeff. Wieder bekam er den Mund voll Wasser und schluckte unwillkürlich ein wenig hinunter.
Biz’ Miene wurde noch ernster.
„Da unten ist jemand“, sagte Jeff.
Zuerst reagierte Biz so, als wäre er nicht sicher, was Jeff meinte, dann wurden seine Augen zusehends größer, und er fragte: „Du meinst, du hast einen Menschen gefunden?“
Jeff nickte grimmig.
„Ich will eine Markierung setzen, damit wir ihn leicht finden, wenn wir wieder rauskommen. Wir müssen es der Behörde melden.“
„Verdammt noch mal“, sagte Biz. Er schien keineswegs erfreut darüber, in eine solche Sache hineingezogen zu werden. Jeff beachtete ihn jedoch nicht weiter und schob sich den Atemregler wieder in den Mund und zog seine Maske herunter. Nachdem er alles zurechtgerückt hatte, knotete er das eine Ende des Seils an seine Boje und wickelte es auf. Er warf Biz noch einen letzten Blick zu und tauchte rasch unter. Wieder in die Tiefe zurücksinkend,hatte er das Gefühl, sein Herz würde von einer eiskalten Hand zusammengepresst.
„Ich wette, ich weiß genau , wer das ist.“
Wie fast jeden Abend war Jeff auch heute in seiner Stammkneipe und trank etwas mit seinen Freunden. Er hatte sein Bier – sein fünftes für heute – gerade ansetzen wollen, als Jim „Pappy“ Sullivan das Wort ergriff. Jeff hatte nicht bemerkt, dass Pappy zuhörte, als er seinen drei Kumpanen – Ralph, Johnny und Flip – berichtete, was er heute Morgen erlebt hatte. Behutsam stellte er sein Glas auf der Theke ab, schob seine Red-Sox-Baseballmütze nach hinten und drehte sich auf seinem Barhocker herum, um Pappy anzuschauen.
„Ach ja, wirklich?“
„Jap. Ganz sicher.“
Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des alten Mannes aus. Pappy genoss es, im Mittelpunkt zu stehen, aber ihm eilte der Ruf voraus, die Hälfte der Zeit nur Scheiße zu labern. Jetzt, wo er Jeffs Aufmerksamkeit und die der anderen besaß, schien er auf ein Stichwort zu warten. Als das Schweigen unerträglich zu werden begann, sagte Jeff: „Und? Willst du’s mir erzählen?“
Pappys Grinsen reichte von einem Ohr bis zum anderen und enthüllte mehrere beachtliche Zahnlücken in seinem Unterkiefer.
„Ich wette mein linkes Ei, dass du Old Man Crowther gefunden hast.“
„Ich will dein beschissenes linkes Ei nicht“, erwiderte Jeff feixend, „aber warum
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