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The New Dead: Die Zombie-Anthologie

The New Dead: Die Zombie-Anthologie

Titel: The New Dead: Die Zombie-Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Brooks , Joe Hill , Tad Williams
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die Hummer, Krebse und andere Aasfresser, die über den Meeresgrund wuselten, sich über das tote Fleisch hermachten – in der gleichen Haltung vor. Sobald sie tot waren, sammelte sich das Blut im Rumpf und in den Beinen, sodass sie aufgrund ihres Eigengewichts eine sitzende Position mit nach vorn gestreckten Beinen einnahmen. Die Arme waren stets nach oben ausgestreckt, als würden sie versuchen, nach etwas zu greifen, nach etwas Festem, an dem sie sich wieder an die Wasseroberfläche hochziehen könnten.
    In all den Jahren, die er nun schon tauchte, hatte Jeff eine Sache – das Faszinierendste an dem Ganzen – nicht verwinden können: das Gesicht der Toten und insbesondere ihre Augen. Sobald das Blut aus dem Kopf und dem oberen Teil des Rumpfes nach unten gesackt war, wurde die runzelige Haut so weiß und durchscheinend wie Butterbrotpapier. Das Geflecht der Blutgefäße, die direkt unter der Haut lagen, wirkte wie eine verblasste Tätowierung. Natürlich würde ein ehemals dunkelhäutiger Mensch nie weiß wie Alabaster werden, doch die Wirkung war – zumindest bei jeder Leiche, die Jeff entdeckt hatte – ebenso faszinierend wie grausig. Die Augen standen – wenn sich noch kein Meerestier darüber hergemacht hatte – in der Regel weit offen und waren von einem Ausdruck verblüffter Überraschung erfüllt. Als könnte das Opfer noch immer nicht recht begreifen, dass es tatsächlich ertrunken war.
    Wenn Jeff fünfzehn oder mehr Meter unter der Meeresoberfläche war und nach einem Ertrunkenen suchte, war das eine Sache. Eine Wasserleiche zu finden, obwohl er gar nicht damit gerechnet hatte, war eine ganz andere Sache und ließ ihn, wie gesagt, zusammenfahren, als hätte er einen elektrischen Schlag erhalten. Unwillkürlich wich er zurück und paddelte mit Armen und Beinen, um nicht die Orientierung zu verlieren. Sein Herz schlug wie ein Schmiedehammer, und in seinen Augen verspürte er einen pochenden Druck. Beinahe wäre die Taucherlampe seinen Fingern entglitten, doch er packte sie gerade noch rechtzeitig ein wenig fester. Als der erste Schrecken langsam wich, richtete er den Strahl wieder auf den Ertrunkenen. Während er langsam Wasser trat und sich noch immer bemühte, sich wieder zu beruhigen, schwamm er vorsichtig an die Wasserleiche heran.
    Nach dem Zustand der Kleidung der Leiche zu schließen, war es wohl eine Weile her, dass der Mann ertrunken war. Die zerfetzten Überreste eines karierten Arbeitshemds und die gelbe Gummihose – die alle Hummerfischer bei der Arbeit trugen – waren mit dicken grünen Schleimfäden bedeckt. Der Mann saß mit nach vorn ausgestreckten Beinen und nach oben weisenden Zehenspitzen da. Die Füße und Unterschenkel steckten in den zerfetzten schwarzen Überresten seiner Gummistiefel. Die Arme waren ausgestreckt und wiegten sich wie dicke Büschel Seetang in der Tiefseeströmung. Die Hände des Mannes waren ebenfalls gestreckt, doch die Finger gekrümmt. Lange, gelb verfärbte Fingernägel, die wie angeschlagenes altes Porzellan aussahen, traten aus den Fingerspitzen der welken kalkweißen Hände.
    Jeff kam unwillkürlich der Gedanke, dass der Mann so aussah, als hätte er geduldig darauf gewartet, dass er oder irgendjemand sonst vorbeikam und ihn in der Dunkelheit von sieben Faden Tiefe fand.
    Jeff merkte, dass vor seinen Augen Sternchen tanzten, weil er noch immer zu schnell atmete, und verlangsamte bewusst seine Atemzüge. Er zwang sich, auch seinen rasenden Herzschlagwieder in den Griff zu bekommen, während er überlegte, wer der Ertrunkene wohl sein mochte, was geschehen war und wie lange er schon tot im Wasser trieb. Seines Wissens war in letzter Zeit niemand von seinem letzten Seegang nicht zurückgekehrt. Der Mann konnte natürlich während des letzten Sturms über Bord gegangen und noch nicht als vermisst gemeldet worden sein, doch der Zustand seiner Kleidung und seiner Haut schien diese Möglichkeit auszuschließen. Ein paar Hummerfischer aus Vinalhaven waren die einzigen Menschen, die in diesem Sommer auf See verschollen waren. Ihre Leichen waren auf Nephews, einer Insel südlich der Bucht, an Land gespült worden. Jeff war kein weiterer Vermisstenfall bekannt.
    Als er sich der Leiche näherte, bemerkte er etwas Merkwürdiges. Etwas war um die Taille des Mannes geschlungen. Es war nicht gut zu erkennen, was es war, da der Schleim und die zerfetzten Kleiderreste alles bedeckten, doch es schien sich um die Glieder einer schweren Kette zu handeln. Jeff schaute nach,

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