The New Dead: Die Zombie-Anthologie
Deshalb nahmen alle an, dass es sich wohl ungefähr so zugetragen haben muss.“ Er drehte sich zu Jeff um und sah ihn mit einer Eindringlichkeit an, die beinahe schon an Wahnsinn zu grenzen schien.
„Aber man weiß es nicht mit Gewissheit.“
Pappy stieß ein unwilliges Schnauben aus. „An deiner Stelle wäre ich so schlau, ihn da unten zu lassen. Wir sind weiß Gott nicht scharf darauf, dass diese ganze verdammte Sache wieder von vorn losgeht. Es war damals schon schwierig genug, nichts nach außen dringen zu lassen. Aber heutzutage – Himmel!“ Pappy zog die Nase hoch und spie in die Dunkelheit. „Mit den ganzen Handys und dem Internet bekommt’s ja gleich die ganze Welt mit. Wer weiß, was dann passiert?“
Aus den vielen Gedanken, die ihm durch den Kopf schossen, versuchte Jeff angestrengt eine Frage zu formulieren, aber ihm fiel einfach nichts ein. Er wollte so gern glauben, dass Pappy – wie immer – Blödsinn erzählte, doch wenn er an die Augen der Leiche dachte, fragte er sich, ob nicht doch etwas dran war an dem, was der alte Mann ihm gesagt hatte.
Bevor er seine erste Frage stellen konnte, richtete Pappy sich auf und meinte: „Also, ich fass es nicht, aber ich hab grad wieder mächtigen Durst bekommen. War nett, mit dir zu reden, Junge.“
Und ohne ein weiteres Wort wandte er sich um und ging in die Kneipe zurück. Die Fliegengittertür schlug hinter ihm zu. Jeff war überzeugt, dass Pappy nicht genau wusste, was Old Man Crowther getan hatte. Der alte Mann hatte nur Mutmaßungen angestellt.
Er blieb noch einen Moment auf der Veranda stehen, schaute auf den Hafen hinunter und bemühte sich, seinen Blick nicht aufs Meer hinausschweifen zu lassen. Das Mondlicht glitzerte silbern auf dem dunklen Wasser. Es war ein wunderschöner Anblick, docher bekam das Gesicht des toten Mannes – wer auch immer das sein mochte –, der da unten im Stockfinstern auf dem Meeresgrund saß, nicht aus dem Kopf.
Jeff zuckte zusammen, als er die Augen öffnete und helles Sonnenlicht durch das Schlafzimmerfenster hereinströmte. Er spürte einen stechenden Schmerz hinter den Augen und stöhnte leise. Nachdem er sich von Marcie gelöst und beide Hände an die Stirn gedrückt hatte, schwang er seine Beine unter der Decke hervor. Marcies Augenlider flatterten kurz, doch dann drehte sie sich von ihm weg und seufzte tief.
„Musst du wirklich so früh los?“, fragte sie mit dem Gesicht zur Wand.
„Ja, muss sein. Ich muss zur Arbeit.“
„An einem Sonntag?“
„Ja, sogar an einem Sonntag.“
Marcie schwieg eine Weile, während Jeff sich vom Bett hochstemmte und sich seine Jeans und die Socken griff, die er gestern getragen hatte und die nun in einem zusammengeknüllten Haufen auf dem Fußboden am Fußende des Bettes lagen. Nachdem er sich ohne zu duschen angezogen hatte – nach dem heutigen Tauchgang würde er das auf jeden Fall nachholen –, beugte er sich über Marcie und küsste sie auf die Schulter. Sie reagierte nicht. Er wusste, dass sie nicht so schnell wieder eingeschlafen sein konnte, aber er würde den Teufel tun und jetzt daran rühren. Sie konnte so sauer auf ihn sein, wie sie wollte. Es ging nicht nur darum, dass er heute tauchen musste. Er musste einfach wieder da runter, um herauszufinden, wer der Mann auf dem Meeresboden war.
Als er am Kai ankam, wimmelte es dort bereits von Reportern und Kamerateams. Auch hatten sich allerlei Schaulustige eingefunden, die den Kai und die Anleger bevölkerten, sodass es ihm beinahe unmöglich war, mit seiner Tauchausrüstung zu dem Patrouillenboot, das am Landungssteg festgemacht hatte, durchzukommen. Einige Reporter riefen ihm Fragen zu, doch er drängte sich an ihnen vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
„Das hat sich ja schnell herumgesprochen“, meinte Jeff, während er seine Sauerstoffflaschen ins Boot hob.
Mark Curtis, ein Mitarbeiter der Küstenwache, runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf.
„Wäre nicht schlecht gewesen“, meinte er, „wenn jemand, der gestern Abend in der Kneipe war, seine Klappe gehalten hätte.“
Bedrückt kletterte Jeff an Bord. Der Kapitän, ein Mann aus Belfast namens Harvey Rollins, warf den Motor an. Mark und die anderen Besatzungsmitglieder machten die Leinen los, und das Boot setzte sich in Bewegung. Das heftig schäumende Kielwasser brachte den Anleger zum Schwanken.
Nachdem sie bei der Boje, die Jeff zurückgelassen hatte, angekommen waren überprüfte er ein letztes Mal seine Ausrüstung. Sein
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