The New Dead: Die Zombie-Anthologie
unvorstellbaren Leidens ermordet auffindet.
Weder das eine noch das andere würde ich ertragen können. Mein Leben war ein Scherbenhaufen, aber ich musste nicht mit diesen Scherben leben. Warum sollte ich auch? Wir wussten doch alle, dass die Seele den Körper im Tode verlässt. Das hatte ich schon hundertmal in Filmen gesehen. Im Gegensatz zu einigen zynisch veranlagten Leuten dachte ich nicht, dass die Seele nur entstieg, um sich aufzulösen. Dieses Leben war lediglich ein Teil der Reise, und für mich war es an der Zeit, den nächsten Schritt zu tun.
Ich bin kein mutiger Mensch und wäre nicht fähig gewesen, eine Waffe zu benutzen, selbst wenn ich eine besessen hätte. Mir die Pulsadern aufzuschneiden hatte ich weder die Kraft noch den Mut. Stattdessen kehrte ich zu meiner Whiskeyflasche zurück und holte ein paar sehr starke Tabletten hervor, die Tori nach ihremHandgelenksbruch im letzten Jahr bekommen, aber nie genommen hatte. Ich kippte den Bourbon hinunter und schluckte die Tabletten. Schließlich fand ich noch ein Mittel zur Muskelentspannung, einige Schlaftabletten, mehrere Valiumkapseln und noch einige andere Arzneimittel, die ich der Mischung beifügte. Wahrscheinlich war ein Teil der Tabletten harmlos, doch der Cocktail, so hoffte ich, würde tödlich sein.
Er war tödlich. Wahrscheinlich war ich innerhalb einer Stunde tot, obwohl es jetzt schwer ist, die Zeit zu schätzen. Erst als ich mein Leben aushauchte, dämmerte mir, wie sehr ich es vermasselt hatte. Ich hatte vergessen, wie ich mir das Geld für Maisie beschafft hatte. Die Leute von General Reanimates hatten mir fast zehntausend Dollar für die Vertragsunterzeichnung gegeben, was ich bei einer so kurzfristigen Entscheidung für kein schlechtes Geschäft gehalten hatte. Ich hatte geplant, mich beizeiten freizukaufen, gab es doch keinen Grund, warum mir das nicht gelingen sollte. Ich hatte gedacht, mir bliebe noch so viel Zeit. Der Gedanke daran hatte mich nicht beschwert, und in dem Moment, in dem ich an nichts anderes hätte denken dürfen, dachte ich nur an Flucht. Irgendwie hatte ich es einfach vergessen.
Eine Überdosis Tabletten ist wohl ein gutes Geschäft für General Reanimates. Sie brauchten keine kosmetischen Korrekturen an mir vorzunehmen. Nicht dass es von Belang ist. Ich trage die Uniform und begegne in dieser Zeit nur wenigen Lebenden. Draußen in der Wüste arbeite ich an einem Projekt für alternative Energien und stelle Sonnenkollektoren auf. Immerhin mache ich mich nützlich.
Ich kann nicht sprechen. Ich kann mich nicht einmal von alleine bewegen, nur wenn man es mir befiehlt. Mein Verstand ist die meiste Zeit noch da, obwohl ich mich nicht wie ich selbst fühle. Vielleicht liegt es daran, dass meine Seele entwichen ist oder dass ich tot bin. Wann ich gestorben bin und wann mich meine Seele verlassen hat, kann ich nicht sagen. Ich erinnere mich nur daran, dass ich einschlief und im Labor von General Reanimates wieder erwachte. Nicht einmal einen Finger kann ich aus freien Stücken krümmen. Ich habe es aufgegeben, das zu versuchen, und keine Ahnung, wie Maisie es geschafft hat.
Für mich gibt es nichts zu tun, außer mein Schicksal zu ertragen und nachzudenken. Es ist heiß hier, das spüre ich. Wir sind nichtempfindungslos. Unsere Uniformen sind nicht atmungsaktiv, und wir können nicht schwitzen. Ich fühle mich elend, und es juckt. Jede Bewegung tut weh. Meine Knochen fühlen sich an, als ob sie aneinander scheuern, sich abscheuern, abraspeln, abschleifen. Ich arbeite rund um die Uhr. Es gibt keine Pausen und kein Ende. Ich kann nichts anderes machen als das, was man mir sagt, und es gibt kein Entrinnen, nur die Flucht in meine Erinnerungen. Meine Geschichte habe ich mir schon viele hundert Male erzählt. Ich tue so, als hätte ich ein Publikum, doch da ist niemand, und es wird niemals jemand da sein. Eines Tages werde ich hoffentlich verschleißen, aber soweit ich weiß, wird diese Tortur bei regelmäßiger Wartung einhundert Jahre dauern. Eintausend.
Irgendwie war es Maisie gelungen auszubrechen, wenn auch nur in einem begrenzten Rahmen. Vielleicht war es Wut oder das Gefühl, dass ihr Unrecht widerfahren war. Wenn mein Ende nicht so passend gewesen wäre, hätte ich möglicherweise auch den Willen dazu gehabt, doch das bezweifle ich. Ich habe es versucht. Ich kann mir niemanden vorstellen, der sich mehr angestrengt hätte bei dem Versuch, als ich es getan habe, doch dann wiederum nehme ich an, dass wir alle es
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