The New Dead: Die Zombie-Anthologie
stellen.
Ich sah Tori an, die von den Bildern, die über den Fernseher flimmerten, in höchstem Maße angewidert war. Sie blickte zu mir herüber, und sosehr sie dieses Spektakel menschlicher Verdorbenheit traurig stimmte, tauschten wir wortlos etwas aus, eine Art unausgesprochener Übereinstimmung, die nur über einen Blick erfolgte. Sie besagte, dass wir zusammengehörten, von der gleichen Art waren, während die Menschen, die gerade im Fernsehen gezeigt wurden, abartig waren und nichts mit uns gemein hatten.
Vielleicht hätte ich in diesem Moment alles gestehen, ihr reinen Wein einschenken sollen. Ich war nie einer von denen gewesen, jedenfalls nicht wirklich. Durch unglückliche Umstände war ich in die ganze Sache hineingerutscht. Ein schrecklicher Unfall,eine in Sekundenbruchteilen getroffene Fehlentscheidung und ihre fürchterlichen Folgen. Aber ich war keines dieser Monster. Es machte mir keinen Spaß, Reanimierte zu verstümmeln oder zu vögeln. In meinen Augen war das krank, mehr als krank. Also würde Tori es möglicherweise verstehen, wenn ich ihr die ganze Geschichte erzählte.
Doch ich sagte nichts, weil ich noch immer glaubte, dass ich es ihr vielleicht gar nicht erzählen musste. Wenn ich Glück hatte, hielten die Jungs von der Party ja dicht, und dieses düstere Kapitel meines Lebens wäre endlich abgeschlossen. Möglicherweise war dies sogar das Beste, was geschehen konnte. Maisie war weg, und die Leute, die mich und Maisie kannten, waren ebenfalls weg. Es war perfekt.
Ich ging mit Tori zu Bett, und durch dieses gegenseitige Band der Rechtschaffenheit erregt, gab sie mir zu verstehen, dass sie mit mir schlafen wollte. Ich empfand es als abstoßend, hatte das Gefühl, ihren schwangeren Körper zu schänden. Ja, es kam mir vor, als würde ich sie und das ungeborene Kind beschmutzen. Im Nachhinein war ich jedoch froh, dass wir es getan haben. Eine letzte, schöne Erinnerung zum Festhalten.
Als am nächsten Tag das Telefon klingelte, war ich sicher, dass es das Jüngste Gericht war, das mich rief. So war es auch, wenn auch nicht in der Form, die wir am meisten fürchten.
„Mr. Molson“, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung in einem routiniert sachlichen und beinahe gleichgültigen Tonfall. „Hier ist Detective Mike Gutierrez. Wir haben einige Fragen an Sie, und ich muss Sie bitten herzukommen. Heute noch, wenn’s geht.“
Mein Herz schlug so heftig, dass ich fürchtete, es könne zerspringen, und die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich. Wenn sie mich verhaften wollten, hätten sie nicht angerufen. Vielleicht geschah mir nichts.
„In welcher Angelegenheit?“, fragte ich.
„Na ja, eine ziemlich ungewöhnliche Sache. Wahrscheinlich haben Sie letzte Nacht etwas im Fernsehen von der Razzia gesehen bei den Leuten, die Reanimierte verstümmeln.“
„Ja, ich habe da so was gesehen“, bestätigte ich.
„Nun, wir haben nicht nur mehrere Leute festgenommen, sondern auch noch die, äh, Überreste eines ihrer, äh, Opfer sichergestellt. Es warvöllig in Stücke gehauen, aber der Rumpf und der Kopf waren noch am Leben. Und es ist so, dass der Kopf noch immer redet. Also, das verdammte Ding ist immer noch lebendig – oder animiert oder wie auch immer –, und es nennt einen Namen. Mr. Molson, es erwähnt Ihren Namen, und Sie sind die einzige Person mit diesem Namen in der ganzen Stadt.“
Ich bemühte mich um einen beiläufigen Tonfall. „Ist ja merkwürdig. Was sagt es denn?“
„Ich halte es für das Beste, dies persönlich mit Ihnen zu besprechen. Können Sie noch heute vorbeikommen? Sagen wir am Nachmittag.“
Ich nickte, doch als ich merkte, dass er mich nicht hören konnte, antwortete ich, dass es mir am Nachmittag passen würde. Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, blieb ich sehr, sehr ruhig sitzen.
Das war’s dann also. Sie hatten mich. Sie wussten es noch nicht. Oder sie würden doch noch kommen, statt mich zu sich zu bitten. Es war nur noch eine Frage der Zeit. Maisies verstümmelter Körper würde vor Gericht wahrscheinlich nie aussagen können, aber die Polizei würde mich weiter verfolgen. Tori würde mich verlassen und die Anwaltskosten mich in den Ruin treiben. Ich würde im Mittelpunkt eines entsetzlichen Skandals stehen, eines wahren Horrorszenarios. Das erwartete mich bestenfalls. Schlimmstenfalls würde ich ins Gefängnis wandern, und jeder Insasse würde wissen, was ich getan hatte. Ich wäre einer dieser Perversen, die man nach einigen Monaten
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