The New Dead: Die Zombie-Anthologie
diesem Tonfall mit ihm gesprochen und es war höchste Zeit, es mal zu versuchen. „Bleib hier. Trink einen Kaffee. Mach dich frisch. Ich werde währenddessen herausfinden, was los ist.“
Ich sah Bindy an, und obwohl sie die Stirn runzelte, wurde mir klar, dass es sie beruhigte, dass ich die Führung übernahm. Nicht dass ich es gerne tat. Mich um diese beiden kümmern zu müssen war das Letzte, was ich wollte. Das Einzige, was ich wollte, war …
Doch wir hatten nun schon seit drei Wochen nach Fiona gesucht, und wenn sie ein Opfer und kein Zombie war, dann hätte ich sie – das stand zweifelsfrei fest – mittlerweile gefunden. Ich kannte alle Plätze, die sie kannte, und hatte alle Orte abgeklappert, die wir gemeinsam aufgesucht hatten. Wenn ich ehrlich war, wollte ich nicht mehr weiter nach ihr suchen.
Ich machte mich auf den Weg und brauchte fünf Minuten bis zur Schule. Die ganze Zeit über hörte ich den Hubschrauber irgendwo in der Ferne. Zum ersten Mal seit der Säuberungsaktion war ich allein unterwegs. Sonst war immer einer der beiden anderen bei mir gewesen. Ich dachte, ich müsste vielleicht Angst haben oder zumindest nervös sein, doch zu meiner Überraschung empfand ich es als recht angenehm. Es hatte sich zwar sehr viel verändert, jedoch nicht, dass ich gerne mal eine Zeit lang allein war.
Als ich den Zebrastreifen bei der Schule erreichte, ließ ich den Blick über die kurvige Straße bis zur Barrikade wandern. Sie war gleich nach dem ersten Ausbruch der Seuche in der Stadt errichtet worden, und ich hatte sie ein paarmal in den vergangenen Tagen gesehen, als wir in der Schule auf Leichensuche waren. Doch jetzt schien sie anders auszusehen. Offenbar hatte man sie erhöht und verstärkt. Hatte sie vorher nur aus einigen umgekippten Autos und aufeinandergestapelten Sandsäcken bestanden, so waren jetzt mehrere massive dunkle Metallkonstruktionen hinzugekommen. Auf beiden Seiten der Barrikade verliefen hohe Zäune. Der auf der linken Seite verschwand hinter einem Haus und führte bergauf, der rechte verlief in gerade Linie quer über den Spielplatz der Schule und verschwand in den dahinter liegenden Wäldern.
Zu beiden Seiten der Straße standen hohe Pfosten, auf denen Kameras montiert waren. Sie drehten sich in meine Richtung, und ich stellte sie mir als Augen vor, die mein Herannahen beobachteten. In fünfzehn Meter Entfernung befahl eine Lautsprecherstimme: „Bleiben Sie, wo Sie sind.“
Ich blieb stehen und seufzte. Heute blökte mich aber auch jeder an.
Ein Mann erschien auf der anderen Seite der Straßensperre. Bevor er mich ansah, warf er einen Blick auf die hinter mir liegende Stadt. Er schien sehr nervös zu sein.
„Toby Parsons?“
„Das bin ich.“
„Peter O’Driscoll. Ich bin einer der Ärzte des Forschungsteams, die …“
„Sie sind einer der Wissenschaftler, die die Leichen aufschneiden, die ich hier rausgeholt habe.“
„Ja, wenn Sie so wollen.“ Meine etwas abfällige Bemerkung schien ihn nicht im Geringsten zu stören.
„Was haben Sie denn nun herausgefunden?“
Er zögerte kurz. „Das unterliegt leider der Geheimhaltung.“
Ich lachte aus vollem Halse. Es war mein erstes herzhaftes Lachen, seit die Seuche ausgebrochen war und ich den Kontakt zu Fiona verloren hatte. Wir waren schätzungsweise achthundert Meter voneinander entfernt gewesen, als die ersten Angriffe erfolgten. Nah genug, um die Schreie des anderen hören zu können.
„Sie machen wohl Witze! In welchem Film sind Sie denn?“ Ich musste noch immer lachen.
„Wir wissen Ihre Hilfe zu schätzen“, bemerkte O’Driscoll.
„Bekomm ich jetzt eine Medaille?“
„Nein, keine Medaille.“
„Also, was wollen Sie? Hat es neue Infektionsfälle gegeben? Hat sich die Seuche weiter ausgebreitet?“
„Sie ist noch unter Kontrolle“, sagte O’Driscoll. „Aber es hat neue Fälle gegeben, ja.“
Neue Fälle . Das Blut gefror mir in den Adern. Die Säuberungsaktion hatte die rettende Lösung sein sollen, die endgültige Ausrottung der Seuche in Usk. Von dem Augenblick an, wo sie begonnen hatte, hatte es von allen Seiten Kritik gehagelt. Die Medien waren voller Kommentare von Politikwissenschaftlern, religiösen Führern, ehemaligen Militärangehörigen und jedem C-Promi, der meinte, seinen Senf dazugeben zu müssen. Als die Armee versicherte, das Abschlachten habe mit der Säuberungsaktion ihr Ende erreicht, wurde das als Schuldeingeständnis aufgefasst. Woher wollten sie wissen, wie man das Ganze
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