The New Dead: Die Zombie-Anthologie
C’est bon “, sagte Ava Ani, doch Philippe war schon verschwunden. Ava Ani wandte sich wieder dem Totenhaus zu.
„Kein voodoo mehr, ma fille . Nur noch Engelsgesang.“ Langsam sank sie auf die Knie und tastete suchend auf ihrer Brust. Unter dem gris-gris -Beutel, der zwischen ihren Brüsten hing, fand sie ihren Rosenkranz. Sie zog ihn unter dem Kragen ihres Kleides hervor und fuhr mit den Fingern über die warmen, weichen Ebenholzperlen. „Ich bete nun für deine ewige Ruhe zu den katholischen Göttern, ma petite .“ Immer noch kniend, bekreuzigte sie sich.
„Gegrüßet seist du, Maria , voll der Gnade, der Herr ist mit dir …“
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
DER WIND RUFT MARY
VON BRIAN KEENE
Sogar im Tode kommt sie jede Nacht zurück, um mich zu besuchen.
Wenn die Zeit ihrer Ankunft noch eine Rolle spielen würde … Man könnte die Uhr danach stellen. Mary zeigt sich kurz nach Sonnenuntergang. Sie kommt unsere lange, gewundene Auffahrt heraufgeschlurft und zieht ihr zerschmettertes rechtes Bein wie einen unwilligen Hund hinter sich her. Ich frage mich oft, wie sie überhaupt damit gehen kann.
Natürlich laufen heutzutage alle Toten herum, aber bei Mary ist es so, dass ein Knochenstück aus ihrem Bein ragt, direkt unterhalb des Knies. Das umliegende Fleisch glänzt und ist geschwollen und hat die Farbe von Frühstücksspeck. Die Wunde nässt nicht mehr. Ich warte immer darauf, dass sie umkippt, auch noch der übrige Knochen splittert, ihr das Bein ganz abfällt. Doch nichts Derartiges geschieht.
Außerdem ist ihr Bauch aufgedunsen. Wir konnten nie Kinder bekommen, doch der Tod lässt sie eine Schwangerschaft simulieren. Mir graut vor dem, was geschieht, wenn die darin gefangenen Gase eines Tages aus ihr entweichen. Ihre Brust ist eingefallen, ebenso ihre Wangen und Augen. Das Sommerkleid hängt in Fetzen an ihrem Gerippe. Es war eines meiner Lieblingskleider … weiße Baumwolle mit einem blauen Blumenmuster. Einfach, aber elegant, so wie Mary. Jetzt ist es alles andere als das. Ihr langes Haar ist nicht mehr sauber und gekämmt und duftet auch nicht mehr nach Geißblattshampoo, sondern riecht nach Laub und Dreck und ist voller Insekten. Ihre Fingernägel sind schmutzig und abgebrochen. Sie war immer besonders stolz auf sie gewesen. Ihre Hände und das Gesicht sind von einergetrockneten braunen Substanz überzogen. Ich rede mir ein, dass es Schlamm sei, doch in meinem Herzen weiß ich, dass es sich um Blut handelt.
All das ist mir egal. Ihr Körper mag sich vielleicht verändern, doch Mary ist immer noch die Frau, in die ich mich einst verliebte. Sie ist noch immer die schönste Frau, die ich je kennengelernt habe, und sie ist noch immer meine Ehefrau. Ich bin noch immer von der Liebe zu ihr erfüllt. Das hat sich durch den Tod nicht geändert. Ganz im Gegenteil.
Wir hatten fünfzehn gute Jahre miteinander. So etwas wird nicht einfach durch den Tod ausgelöscht. Auch wenn ihr Körper zerfällt, die Erinnerungen bleiben unberührt. Dessen bin ich mir ganz sicher. Warum sonst sollte sie Nacht für Nacht hierher zurückkehren und das Haus anstarren, sich an der Tür zu schaffen machen und versuchen hereinzukommen? Es kann nicht sein, dass sie nur fressen will. Wenn das so wäre, hätte sie längst aufgegeben und sich auf den Weg zu der neuen Wohnsiedlung gemacht, die einige Kilometer entfernt ist. Dort haben sich bestimmt noch einige Familien in ihren Häusern verschanzt und sind zu verängstigt oder zu dumm, um sich für längere Zeit ruhig zu verhalten. Leichte Beute. Ich habe keine Ahnung, was sie tagsüber macht. Sicherlich nicht schlafen. Tote schlafen nie. Ich nehme an, sie frisst. Oder wandert herum. Bleibt aber immer noch die Frage: Warum kehrt sie Nacht für Nacht hierher zurück? Mary weiß nicht, dass ich hier in diesem Haus bin. Dessen bin ich mir sicher. Egal wie lange sie an die Tür und die mit Brettern vernagelten Fenster hämmert, sie kann nicht ins Haus schauen. Sie kann mich weder sehen noch hören. Warum kommt sie trotzdem immer wieder zurück?
Ganz einfach: Sie erinnert sich. Vielleicht nicht in der Weise, wie sich Lebende erinnern, aber irgendwo, fest verankert in den Überresten ihres Hirns, gibt es eine bruchstückhafte Verbindung zu diesem Ort. Vielleicht erkennt sie ihn als ihr Zuhause. Möglicherweise weiß sie einfach, dass dies der Ort war, an dem sie sich glücklich fühlte. Ein Ort, an dem sie einmal lebte.
Bei unserem
Weitere Kostenlose Bücher