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The Stand. Das letze Gefecht

The Stand. Das letze Gefecht

Titel: The Stand. Das letze Gefecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Augenklappe wieder an, ging langsam zum Straßenrand und setzte sich neben einen Plymouth mit einem Nummernschild aus Kansas; der Wagen war fast schon bis auf die Felgen abgesenkt. Nick konnte das verzerrte Spiegelbild der Stirnverletzung auf der Stoßstange des Plymouth sehen. Die Kratzer und Schnitte sahen häßlich aus, waren aber nicht tief. Er würde die hiesige Apotheke suchen, die Wunde desinfizieren und ein Pflaster draufkleben. Er müßte eigentlich, dachte er, noch genügend Penicillin in sich haben, daß sein Körper mit praktisch allen Erregern fertigwerden konnte, aber die Erfahrung mit dem Streifschuß am Bein hatte ihm höllische Angst vor Infektionen eingejagt. Er zupfte mit verzerrtem Gesicht Gesteinssplitter aus den Handflächen.
    Der Mann mit der Whiskeyflasche hatte das alles ausdruckslos beobachtet. Hätte Nick den Kopf gehoben, wäre ihm das gleich seltsam vorgekommen. Schon als er sich abgewandt hatte, um seine Wunde in der Stoßstange zu betrachten, war alles Leben aus dem Gesicht des Mannes gewichen. Es wurde leer und stumpf und völlig nichtssagend. Der Mann trug eine verblichene, aber saubere Latzhose und schwere Arbeitsschuhe. Er war ungefähr einsfünfundsiebzig groß und hatte so hellblondes Haar, daß es fast weiß wirkte. Seine Augen waren von einem hellen, klaren Blau, und wegen des strohigen Haares war seine schwedische oder norwegische Herkunft unverkennbar. Er sah nicht älter als dreiundzwanzig aus, aber später stellte Nick fest, daß er Mitte Vierzig sein mußte oder nahe dran, denn er konnte sich noch an das Ende des Koreakriegs erinnern und wie sein Daddy einen Monat später in Uniform nach Hause gekommen war. Unmöglich, daß er das alles erfunden haben konnte. Phantasie war nicht Tom Cullens starke Seite.
    Er stand da, mit leerem Gesicht, wie ein Roboter, dem man den Stecker rausgezogen hat. Dann kam ganz allmählich wieder Leben in sein Gesicht. Er blinzelte mit whiskey-roten Augen. Er lächelte. Er wußte wieder, was die Situation erforderte.
    »Du lieber Himmel, Mister, Sie sind ja ganz schön hingefallen. Stimmt doch, oder? Meine Güte!« Er blinzelte, als er das viele Blut auf Nicks Stirn sah.
    Nick hatte einen Notizblock und einen Bic in der Hemdtasche; sie waren beim Sturz nicht herausgefallen. Er schrieb: »Sie haben mich erschreckt. Ich hielt Sie für tot, bis Sie aufgestanden sind. Mir ist nichts passiert. Gibt es hier einen Drugstore?«
    Er zeigte dem Mann in der Latzhose den Block. Der Mann nahm ihn. Betrachtete das Geschriebene. Gab den Zettel zurück. Er sagte lächelnd: »Ich bin Tom Cullen. Aber ich kann nicht lesen. Ich bin nur bis zur dritten Klasse gekommen, aber da war ich sechzehn, und mein Daddy hat mich rausgenommen. Er sagte, ich wäre zu groß.«
    Geistig zurückgeblieben, dachte Nick. Ich kann nicht sprechen, und er kann nicht lesen. Einen Augenblick war er völlig ratlos.
    »Du lieber Himmel, Mister, Sie sind ja ganz schön hingefallen!« rief Tom Cullen. Irgendwie war es für beide so, als hätte er es jetzt zum ersten Mal gesagt. »Stimmt doch, oder? Meine Güte!«
    Nick nickte. Steckte Block und Kugelschreiber wieder ein. Legte eine Hand vor den Mund und schüttelte den Kopf. Hielt die Hände auf die Ohren und schüttelte den Kopf. Hob die linke Hand an den Hals und schüttelte den Kopf.
    Cullen grinste verwirrt. »Zahnschmerzen? Hatte ich auch mal. Tat böse weh. Stimmt doch, oder? Meine Güte!«
    Nick schüttelte den Kopf und wiederholte seine Pantomime. Diesmal tippte Cullen auf Ohrenschmerzen. Nick winkte resigniert ab und ging zu seinem Fahrrad. An manchen Stellen war Farbe abgeschürft, aber sonst schien es unbeschädigt zu sein. Er stieg auf und fuhr ein Stück die Straße entlang.
    Ja, es war in Ordnung. Cullen lief neben ihm her und lächelte glücklich. Er ließ Nick nicht aus den Augen. Er hatte seit fast einer Woche niemanden mehr gesehen.
    »Haben Sie keine Lust zu sprechen?« fragte er, aber Nick drehte sich nicht um, schien ihn nicht gehört zu haben. Tom zupfte ihn am Ärmel und wiederholte seine Frage.
    Der Mann auf dem Fahrrad hielt wieder die Hand vor den Mund und schüttelte den Kopf. Tom runzelte die Stirn. Jetzt war der Mann abgestiegen, hatte sein Rad auf den Klappständer gestellt und betrachtete die Schaufenster. Er schien gefunden zu haben, was er suchte, denn er trat auf den Bürgersteig und dann zu Mr. Nortons Drugstore. Pech, wenn er da reinwollte, denn die Drogerie war zu. Mr. Norton hatte die Stadt verlassen. Fast

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