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The Stand. Das letze Gefecht

The Stand. Das letze Gefecht

Titel: The Stand. Das letze Gefecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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halbtot waren, und ein' hab' ich ins Krankenhaus gebracht mit Blutungen, M-O-N-D und das buchstabiert man Blutungen, das hat Tom Cullen gemacht«, und Nick hatte auch gehört, wie Tom seine Mutter im Haus von Mrs. Blakely gefunden hatte, wo sie beide tot im Wohnzimmer saßen, und wie er sich da einfach davongeschlichen hatte. Jesus kam nicht und holte tote Menschen in den Himmel, wenn jemand zusah, sagte Tom (Nick überlegte, daß Jesus in Toms Augen eine Art umgekehrter Nikolaus sein mußte, der Tote mit durch den Kamin hinaus nahm, anstatt Geschenke hereinzubringen). Aber Tom hatte nichts davon gesagt, daß in May alle verschwunden waren oder die Straße mitten durch den Ort verlief und dennoch kein Fahrzeug fuhr.
    Er legte Tom sanft die Hand auf die Brust und unterbrach damit den Wortschwall.
    »Was?« fragte Tom.
    Nick beschrieb mit den Armen einen großen Kreis, der die Häuser des Innenstadtbereichs einschloß. Er verzog das Gesicht zu übertriebener, burlesker Verwirrung, runzelte die Stirn, legte den Kopf schief, kratzte sich am Hinterkopf. Dann machte er mit den Fingern Gehbewegungen auf dem Gras und sah Tom schließlich fragend an.
    Was er sah, war erschreckend. Toms Gesicht war so ausdruckslos, daß er urplötzlich hätte gestorben sein können. Die Augen, in denen noch vor Momenten alles gefunkelt hatte, was er erzählen wollte, waren jetzt umwölkt wie blaue Murmeln. Der Mund war offen, so dass Nick feuchte Kartoffelchipskrümel auf der Zunge sehen konnte. Die Hände lagen schlaff im Schoß.
    Nick streckte besorgt den Arm aus, um Tom anzustoßen. Aber bevor es dazu kam, zuckte Toms Körper zusammen. Erregung floß wieder in sein Gesicht wie Wasser in einen Eimer. Er fing an zu grinsen. Eine Sprechblase mit dem Wort EUREKA - ICH HAB'S! - über seinem Kopf hätte das Geschehene nicht deutlicher machen können.
    »Sie möchten wissen, wohin alle Leute gegangen sind!« rief Tom aus.
    Nick nickte heftig.
    »Na. ich glaub', sie sind nach Kansas City«, sagte Tom. »Meine Fresse, ja. Alle haben immer gesagt, was May für eine kleine Stadt ist. Nichts los. Kein Spaß. Sogar die Rollschuhbahn hat zugemacht. Jetzt is' nur noch das Autokino da, aber dort zeigen sie immer nur so Fummelfilme. Meine Mom hat immer gesagt, wer einmal weg ist, kommt nicht mehr wieder. Wie mein Dad, der ist mit 'ner Kellnerin abgehauen, die hat geheißen M-O-N-D, und das buchstabiert man Dee Dee Packalotte. Ja, ja, alle Leute haben die Nase voll gehabt und sind gegangen. Muß Kansas City sein, meine Fresse. Stimmt doch, oder? Dahin müssen sie gegangen sein. Außer Mrs. Blakely und meiner Mom. Jesus wird sie hoch in den Himmel raufholen und in seinen ewigen Armen wiegen.«
    Tom nahm seinen Monolog wieder auf.
    Nach Kansas City gegangen, dachte Nick. Nach allem, was ich weiß, könnte das stimmen. Alle, die auf diesem armen Planeten geblieben sind, wurden von der Hand Gottes hochgehoben und entweder in Seinen ewigen Armen gewiegt oder in Kansas City wieder abgesetzt. Er lehnte sich zurück, seine Lider flatterten und verwandelten Toms Worte ins Äquivalent eines modernen Gedichts, ohne Großbuchstaben am Anfang, wie ein Werk von e. e. cummings: 
mutter hat gesagt 
haben kein 
aber ich hab' ihnen gesagt paßt lieber auf 
nicht herumpfuschen mit 
    In der vergangenen Nacht, die er in einer Scheune verbracht hatte, waren die Alpträume schlimm gewesen, und jetzt, mit vollem Bauch, wollte er nur... 
meine fresse 
M-O-N-D und das buchstabiert man 
klar wünsch' ich mir das 
    Nick schlief ein.
    Als er aufwachte, fragte er sich als erstes in der benommenen Art, die man hat, wenn man am hellichten Tag fest geschlafen hat, warum er so sehr schwitzte. Als er sich aufsetzte, wußte er es. Es war Viertel vor fünf am Nachmittag, er hatte über zweieinhalb Stunden geschlafen, die Sonne war hinter dem Kriegerdenkmal aufgegangen. Aber das war nicht alles. Tom Cullen hatte ihn in einem wahrhaft orgiastischen Anfall von Fürsorge zugedeckt, damit er nicht fror. Mit zwei Baumwolltüchern und einer Steppdecke. Er warf sie beiseite, stand auf, streckte sich. Tom war nirgends zu sehen. Nick schritt langsam den Hauptzugang zum Platz entlang und fragte sich, was er wegen Tom machen sollte... oder mit ihm. Der geistig behinderte Bursche hatte sich mit Lebensmitteln vom A&P am anderen Ende des Platzes versorgt. Er hatte keinerlei Gewissensbisse, dort hineinzugehen und sich anhand der Etiketten auf den Dosen zum Essen zu nehmen, was er brauchte, denn, wie

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